Medienguide
  • 01.
    morgenvogel
    Früher Morgen in Süd-Kalkutta. Aufnahme von Oktober 2003.
    13:32
  • 02.
    dover lane
    Morgenklänge in der Dover Lane (Süd-Kalkutta), aufgenommen im November 1996.
    4:56
  • 03.
    landraub
    Sara spricht über den Landverlust ihrer Familie, der zu deren Verarmung führte. Aufnahme: Oktober 2003.
    4:13

    Meine Mutter ging nicht arbeiten, mein Vater arbeitete. Er verkaufte grüne Kokosnüsse. Der Familie ging es gut. Wir hatten viel Land. Mein Vater trank viel, er trank Schnaps – er trank unmässig. Wir hatten viel Land. Mein Vater konnte weder lesen noch schreiben. Im Dorf gab es einen Dorfvorsteher, er machte meinen Vater betrunken und nahm unser ganzes Land. Er liess uns nur eine kleine Ecke, wo wir wohnen konnten. Dort wuchs ich auf. Mein Vater trank viel, und weil er so viel trank, wurde er krank. Er wurde krank; die Leber in seinem Leib wurde krank. My daddy – hospital – dead. Meine Mutter zog uns auf. Jeder mochte meine Eltern; meine Mutter war eine gute Frau, sie war ein guter Mensch. Aber nachdem das Land verloren war, wurde es für meine Mutter sehr schwer. Mein Vater war niedergeschlagen und verzweifelt: „Sie haben mir all mein Land genommen. Wo werden meine Kinder leben?“ Dann wurde er krank. Er trank viel, dann starb er. Nachdem er gestorben war, wurde es schwer für uns. Und später, nachdem meine Mutter starb, gingen alle auseinander. Jetzt ist keiner mehr da. Meine Eltern sind nicht mehr da, und alle leben für sich.

  • 04.
    graberde
    Sara erinnert sich, wie sie als kleines Mädchen Erde vom Grab ihres Vaters holen sollte, um die Schwären ihrer Mutter zu heilen. Aufnahme von November 2005.
    5:56

    Man liess uns zum Leben nur ein kleines Grundstück, den Rest von unserem Land nahmen die Leute im Dorf. Meiner Mutter erklärten sie: „Dein Mann hat alles Land verkauft.“ Vater war nicht mehr da, sie brachten ihn, und er wurde beerdigt. Da, wo wir wohnten, wurde es für uns sehr schwer.

    Ein Fakir im Dorf sagte: „Diese Geschwüre werden nicht heilen. Ihr müsst etwas Erde mit Wasser vom Ganges mischen und auftragen, dann werden die Wunden heilen. Meine Mutter holte Wasser vom Ganges und bat meine Brüder, Erde vom Grab zu holen. Aber meine Brüder weigerten sich. Also bat man mich zu gehen. Ich war noch ganz klein, ich trug noch Höschen. Ich sagte: „Gut, ich mach’s, ich hole Erde von dem Grab.“

    Ich ging zum Friedhof, aber ich hatte Angst; es fühlte sich an, als kämen Leute von allen Seiten, um mich zu packen. Ich lief davon, ohne Erde. Dann kehrte ich um, und wieder näherten sich diese Leute; mit „Leute“ meine ich Geister. Ich wusste, dass meine Mutter ohne diese Erde nicht genesen konnte. Ich ging zu dem Grab, nahm von einer Ecke etwas Erde, und spürte, wie etwas nach mir griff, wie die Geister nach mir griffen. Etwas Erde steckte ich in meine Tasche, etwas Erde hielt ich in meinen Händen; ohne mich umzudrehen, lief ich so schnell ich konnte.

    Ich erreichte unser Zuhause und fiel hin – bamm! Ich verlor die Besinnung. Erde war in meiner Tasche und in meinen Händen. Sie riefen nach dem Geistlichen, der sprach ein paar Gebete, und ich kam wieder zu Sinnen. Sie fragten mich: „Was ist passiert?“ Ich entgegnete: „Ich ging, um Erde zu holen. Etwas versuchte mich zu packen.“ Da meinte der Fakir: „Tochter, du hast dich nicht umgeschaut – das hast du sehr gut gemacht. Keiner mag es, wenn jemand kommt und etwas von seinem Körper entfernt. Du hast Erde von dem Grab genommen. Wenn du zurückgeschaut hättest, hätten sie dich getötet. Du hast nicht zurückgeschaut – das hast du gut gemacht!“

    Sieben Tage lang behandelte ich den Kopf meiner Mutter mit Erde und Gangeswasser und die Schwären an ihrem Kopf heilten. Sie konnte wieder arbeiten und sich um uns kümmern. Das ist alles, das war’s.

  • 05.
    mangos
    Sara erinnert sich, dass sie als Kind kein sehr braves Mädchen war. Aufnahme von Oktober 2003.
    4:37

    Als ich ganz klein war, sechs oder sieben Jahre alt, hatte ich noch keine Pflichten. Als ich acht war, ging ich zur Schule und machte Schulaufgaben. Abends nach den Schulaufgaben gab es nicht viel zu tun. Ich hatte viele Freundinnen, wir spielten. Ich stromerte mit meinen Freundinnen in der Gegend herum, weit, bis zum Fluss.

    In der Schule lernte ich nicht viel; meinem Vater und meiner Mutter war es ziemlich egal. Ich spielte mit meinen Freundinnen, wir assen und hatten viel Spass. Mir ging es gut. Als ich klein war, war ich ziemlich glücklich. Langsam wurden wir älter, und meine Freundinnen sagten, lass uns fortgehen. Zwei, drei Tage lang kam ich nicht nach Hause. Ich ass, spielte, lief in der Gegend herum, und langsam, Tag für Tag, verging die Zeit.

    Ich hatte viele Freundinnen und hörte auf alles, was die sagten. Meinen Eltern gehorchte ich nicht, ich tat nur, wozu ich Lust hatte. Ich kam und ging, wie es mir gefiel. Meine Eltern schimpften mit mir, sie sagten: „So geht das nicht. Bleib zu Hause. Du musst lesen und schreiben lernen!“ Sie schimpften mich aus und schlugen mich. Ich ging zur Schule, legte meine Bücher aufs Pult und verschwand. Ich pflückte Mangos von Bäumen, ich pflückte Lichies von Bäumen, ich zupfte Zwiebeln und Rettiche aus und ass sie. Wenn die Schule aus war, holte ich meine Bücher und ging nach Hause. Und wenn ich gefragt wurde: „Hast du etwas gelernt?“, sagte ich „ja“.

    Aber gelernt habe ich nichts. Ich stromerte bloss mit meinen Freundinnen in der Gegend herum und lernte weder Lesen noch Schreiben. Meine Mutter zu Hause glaubte, dass ich in der Schule war, aber das war ich nicht. Eines Tages kam sie zur Schule und merkte, dass ich gar nicht da war. Ich war fortgelaufen um zu spielen. Ich wurde schlimm verprügelt und habe dann ganz aufgehört zu lernen. Ich lernte überhaupt nichts mehr.

    Meine Mutter sagte: „Dann lerne eben zu Hause.“ Aber das wollte ich auch nicht. Das war meine Kindheit. Damals war ich vielleicht zehn; zehn Jahre lang lernte ich überhaupt nichts; ich konnte weder lesen noch schreiben. Deshalb kam es später zu all den Schwierigkeiten.

    Wenn ich Lesen und Schreiben gelernt hätte, hätte ich Arbeit bekommen und gut leben und essen können. Meine Eltern waren arm. Wir waren eine arme Familie; sie konnten sich keinen Privatunterricht leisten. Ich gewöhnte mich nicht an die Schule, sonst hätte ich ein gutes Leben haben können. Ich begriff nicht, wozu Lesen und Schreiben gut sein sollten.

  • 06.
    puppen
    Sara erinnert sich an die Spiele ihrer Kindheit. Aufnahme vom 2. September 2004.
    1:54

    Als ich klein war, spielte ich nur. Als ich fünf war, starb mein Vater. Nachdem mein Vater starb, hatten wir viele Probleme, grosse Schwierigkeiten. Ich ging auf den Markt und kaufte Kartoffeln, Zwiebeln und Fisch für zu Hause. Aus Stofffetzen oder Lehm machte ich Puppen. Manchmal tanzten wir, meine Freundinnen und ich. Wir spielten im Schatten von Bäumen mit grossen Blättern. Aus Lehm formte ich kleine Gefässe, damit spielten wir. Wir waren alle noch klein. Manchmal holte ich ein paar Frühlingszwiebeln von einem Feld und spielte damit, wir spielten mit kleinen Töpfen, ich kochte. Alle zusammen; ich war noch ganz klein. Wie ich älter wurde, ging ich kaum zur Schule, ich wollte nicht lernen. Ich half ein bisschen zu Hause. Meinen Eltern gehörte viel Land. Nachdem das Land verkauft war, waren wir arm. Als ich dann älter wurde, kam ich nach Kalkutta und arbeitete.

  • 07.
    puppenbraut
    Brautpuppenspiel. Sara, aufgenommen im Oktober 2002.
    1:23

    Die Mädchen spielten für sich, die Jungen spielten für sich. Wenn die Mädchen und Jungen bei uns etwa sieben Jahre alt sind, spielen sie nicht mehr miteinander.

    Ich machte Puppen aus Lehm. Ich zog die Puppe an wie eine Braut und spielte mit ihr. Ich zerriss einen Sari, verwandelte die Puppe in eine Braut und spielte mit ihr. Ich nahm Blätter und Zweige und Blüten und machte ein Zuhause. Aus dem Wald brachte ich Blüten, ich legte sie auf die Erde und spielte. Ich machte eine Puppe aus Lehm, kleidete sie wie eine Braut und spielte damit. Aus Sand baute ich ein Zuhause und spielte.

    Die Jungs spielten Verstecken. Einige versteckten sich, die anderen suchten sie.

  • 08a.
    kinderreim
    Abzählreim aufgesagt von Sara; Aufnahme Januar 2005.
    0:18

    Armreif in der Hand, / Schlüssel in der Hand / und links und rechts ein Geldtäschchen: / „Gib mir eine Rupie, / Ich geh zum Haus des Mullahs.“ / Der Mullah gab mir Puffreis, / den ass ich und starb. / Die Leute hoben mich auf, / riefen horibol, / brachten mich zum Ufer des Ganges / und verbrannten mich dort.

  • 08b.
    abzählreim
    Aufgesagt von Sara; Aufnahme Januar 2005.
    0:17

    Eleting, Beleting, Cham, Chiting. / Cham ging zum Ufer des Flusses, / am Ufer lag ein Dreschbrett. / Sein Bruder, ein goldener Junge, / führte die Kühe zur Weide, / die Kühe frassen das Korn, / und einer packte den Jungen beim Ohr.

  • 08c.
    kinderreim
    Aufgesagt von Sara im Januar 2005.
    0:13

    Laloo ass rote Chilli; / Laloos Hintern brannte wie Feuer; / Laloo nahm acht Annas und ging zum Arzt; / der Arzt war nicht zu Hause; / Laloo kniff seinen Hintern zusammen.

  • 08d.
    kinderreim
    Aufgesagt von Sara im November 2005.
    0:14

    Dieser dickköpfige Polizist / legte zwölf Eier; / ein Ei zerbrach – / nun weint das Kind.

  • 08e.
    kinderreim
    Aufgesagt von Sara im November 2005.
    0:16

    Büschel von Mangoblättern. / Nimm die Peitsche, / das Pferd galoppiert. / Grosse Schwester, tritt zur Seite – / hier kommt mein verrücktes Pferd. / Das verrückte Pferd hat durchgedreht / und wurde mit dem Gewehr erschossen.

  • 08f.
    kinderreime
    Aufgesagt von der etwa sechsjährigen Kashmira. Aufnahme von November 2005.
    4:08

    Regentropfen im Litschi-Garten, / es tropft auf den Teestand. / Liebe Freunde, lasst das Lernen – / gehen wir zum Bahnhof, schauen dort einen Film. / Mit Sonnenbrille / und Damenuhr / gehen wir zum Haus meines Vaters, / um das Haus liegt ein Garten, / Brüder und Schwestern vermählen sich – / Welche Schande! / Wenn ich das gewusst hätte, wäre ich zur Schule gegangen, / aber die Schule ist geschlossen, / und ich rieche den Geruch von Hibiskus. Berg und Gebirge, / Saft aus Wasser, das leise Rascheln von Blättern im Wind, / die Schönheit der Blumen.

    Äpfel sind hart, / Granatäpfel rot, / Trauben saftig, / wir haben nichts mehr im Haus, / Mutter ist zu den Nachbarn gegangen, / der Reis ist hart, / den Reis mag ich nicht essen, / heute geh ich nicht zur Schule, / meine Schule ist geschlossen, / und mir bleibt nur der Geruch von Hibiskus.

    Zu hören ist das sanfte Rascheln der Mangoblätter, / sieben Schwager haben gegessen, / wo ist der zweite? / Verheiratete Frau – gib ihm das Handtuch, / nein, das Handtuch geb ich ihm nicht, / auch meine Tochter geb ich ihm nicht, / meine Tochter geb ich einem Reichen, / alles läuft aufs Geld hinaus, / und der Schwiegersohn ist beleidigt.

    In unserem Dorf stehen kleine Hütten, / die haben eine siebte noch eine fünfte Etage, / wir hassen uns nicht / und respektieren die Älteren, / wir leben in einem kleinen Dorf und lieben es wie unsere Mutter, / wir schmücken es mit Lichtern und haben genügend Sand.

    Viele Felder haben wir mit Reis und zahlreiche Teiche, / ihr Wasser glitzert im Mondschein, / die Bäume leben glücklich alle miteinander, / die Vögel zwitschern von Morgen bis abends, / und zahlreiche Blumen blühen. / Latim latim katim fatim, / der Frosch spielt die Flöte, / auf dem Besenstock steckt eine Blüte, / das Mädchen tanzt. / Schlange, Zinnober und verbrannte Ratte.

    Mangoblatt, Litschiblatt und Dodulblüte, / brich die Dodulblüte und sieh nur: ein neugeborener Junge. / Heute wird er zum ersten Mal Reis essen, / morgen wird er vermählt, / Khoka wird mit mir auf einem mit Dodul-Blüten bestreuten Pfad gehen, / Vögel werden singen, wo die Dodul-Blüten blühten, / und die Mädchen der Bagdi-Kaste rufen. / Einmal eins, einmal zwei, einmal drei, / das kleine verheiratete Mädchen kann eine ganze Menge, / gib kein Salz ins Curry.

    Dünne Bambusstecken, / der Fluss fliesst dahin, / wir Dorfleute picken die Steinchen aus unserem Getreide, / das Mädchen hat sich Kajal um die Augen gestrichen, / ihr Kopf ist von einem Schleier bedeckt, / und sie hat langes Haar.

    Erster Stock, zweiter Stock, dritter Stock, / die Polizei ging nach Nimtala. / Die Polizisten haben zwei Ruten, / doch mein Bruder ist kein Anhänger der Kongresspartei, / die Polizisten der Kongresspartei haben dreizehn Eier gelegt, / eines davon ist faul, / dem kleinen Jungen gefällt das gar nicht.

    Zehn, zwanzig, hier das Garnelencurry, / bitte sagt mir – wer wird was dafür bezahlen?

    Zehn, zwanzig – kommt alle her, / flieg weg, Schmetterling, / meine Mutter sagt, „geh zur Schule!“

    Zehn, zwanzig, dreissig, vierzig, fünfzig, sechzig, siebzig, achtzig, neunzig, hundert, / hundert und hundert mochten sich, / der Schmetterling ist fortgeflogen, / meine Mutter sagt, „geh zur Schule!“ / Mein Vater sagt, „verschwinde aus meinem Haus!“

  • 09a.
    kinderschlaflied
    Gesungen von Sara; Aufnahme von April 2004.
    0:41

    Schlaf ein, mein Püppchen – / warum schläfst du denn nicht? / Deine Mutter singt dir hübsche Lieder. / Schlaf ein, mein Püppchen.

  • 09b.
    kinderschlaflied
    Gesungen von Sara; Aufnahme von April 2004.
    0:20

    Oh lalalalala / Milchschale, / süsse Kekse in der Milch – / da freut sich Munna!

  • 09c.
    kinderschlaflied
    Gesungen von Sara; Aufnahme von April 2004.
    1:00

    Schlaf ein, schlaf ein – / ich decke dich zu mit dem Schulterstück meines Saris; / dein Geliebter ist gekommen und gegangen.

  • 10.
    kinderschlaflieder
    Zwei Kinderschlaflieder gesungen von Manimala Chitrakar, einer Bildrollenkünstlerin aus Naya im Paschim Medinipur-Distrikt Westbengalens. Aufnahme vom 2. November 2005.
    5:55

    1.

    Das Kind ist eingeschlafen, / das Dorf ist jetzt ganz still. / Die Vögel haben ihre Körner gefressen, / wie werde ich nur meine Pacht begleichen?

    2.

    Schlaf nur, schlaf nur, / schlaf nur – alles ist gut. / Komm, kleiner Vogel – / lege Schlaf auf die Augen meines Babys. / Mein Baby will nicht schlafen / und weint die ganze Nacht.

    Schlaf nur, schlaf nur, / schlaf nur – alles ist gut. / Komm, süsser Schlaf – / lege Schlaf auf die Augen meines Babys. / Mein Baby will nicht schlafen / und weint nur immerzu.

    Schlaf nur, schlaf nur, / schlaf nur – alles ist gut. / Komm, kleiner Vogel – / lege Schlaf auf die Augen meines Babys. / Mein Baby hat den ganzen Tag lang nicht gegessen.

    Schlaf nur, schlaf nur, / schlaf nur – alles ist gut. / Komm, Grossmutter, halte das Kind. / Mein Kind will nicht schlafen und will nur bei dir sein.

    Schlaf nur, schlaf nur, / schlaf nur – alles ist gut. / Goldenes Baby, weine nicht – / schlaf ein auf meinem Schoss. / Weisst du denn nicht? Ich bin's, deine dich liebende Mutter.

    Schlaf nur, schlaf nur, / schlaf nur – alles ist gut.

  • 11.
    liebeslied
    Bhatiali-Lied, d. h. ein Lied der flussabwärts treibenden Bootsleute im Unterlauf des Hugli und des Brahmaputra; „bhata” bedeutet Ebbe oder Unterlauf. Gesungen wird dieses Lied hier aus der Perspektive der am Ufer wartenden Geliebten; hier von Sara im Januar 2005.
    2:05

    Geliebter meines Herzens – obschon ich dich so liebte, / wurdest du nie der Meine. / Wie schön zu sehen – / die Liebe der Seide zum Wasser. / Wie strahlend hell – / die Liebe der Nacht zum Mond! / Mein ganzes Leben lang / erduldete ich nur Kummer und Sorgen. / Meine Liebe zu dir – warum wurde sie nie wahr? / Geliebter meines Herzens – obschon ich dich so liebte, / wurdest du nie der Meine.

  • 12.
    hochzeitslied
    Von Sara gesungen; aufgenommen im April 2004.
    1:10

    Wer geht da, Freund, / auf der Strasse nach Süden? / Du bist da, Freund, / deine Tage verstreichen / in Hoffnung und Furcht. / Wer kann wissen, Freund, / wie ich mich fühle? / Komm her und frage mich! / Das Gold ist schwarz geworden, / und meine Eltern versprachen mich einem anderen. / Doch dieser dunkle Junge hat mein Herz gestohlen. / Ich werde aus dem Netz ausbrechen; / Vater und Mutter werden weit gehen / und wie von Sinnen sein.

  • 13.
    pubertät
    Sara spricht über das Ende einer Mädchenkindheit auf dem Lande und von den Fallstricken einer ersten Liebe. Aufgenommen im Oktober 2003.
    5:45

    Mädchen mit sieben oder acht laufen halbnackt herum. Sie spielen miteinander, und in dem Alter wissen sie nicht, was Liebe ist. Wenn sie älter werden, mit zwölf oder dreizehn, bekommen sie ihre Tage. Dann wird ihnen klar, was Liebe ist. Sie sehen andere und spüren, was Liebe ist. Jungen und Mädchen verlieben sich. Einige erzählen ihren Eltern davon und werden verheiratet. Andere heiraten auf eigene Faust. Ein Mädchen bekommt seine Menstruation. Sie ist in einen Jungen verliebt; die beiden gehen irgendwo hin und tun dies und jenes, und dann entsteht ein Kind. Dann fürchtet sich das Mädchen vor seinen Eltern, es geht in ein Krankenhaus, und das Kind wird getötet. Der Junge sagt vielleicht: „Weil ich dich liebe, musst du das Kind töten.“ Wenn der Junge das Mädchen wirklich liebt, heiratet er es vielleicht. Aber die Jungen sind oft schlecht. Sie sagen: „Bah! Wer will so ein Mädchen schon heiraten?!“ Dann, wenn die Eltern merken, was passiert ist, töten sie das Kind, um ihre Ehre zu retten. Oder sie jagen das Mädchen aus dem Haus, und das Mädchen flüchtet aus dem Dorf. Das Mädchen bekommt nirgendwo Hilfe, es wird sich eine Arbeit suchen oder ist gezwungen, die Strasse zu machen. Schliesslich trägt es ein Kind im Leib. Vielleicht wurde es von dem Jungen betrogen: „Ich liebte diesen Jungen. Ich bekam meine Tage und liebte den Jungen, aber er hat mein Leben zerstört.“ Manchmal stirbt ein Mädchen, dessen Leben von einem Jungen zerstört wurde. Vielleicht läuft es von Zuhause weg und landet auf der Strasse. Er war es, der sein Leben aus der Bahn warf.

    Solange das Mädchen bei seinen Eltern lebte, ging es ihm gut. Die Eltern zogen es vielleicht mit viel Liebe auf. Doch als es älter wurde, tat es nur, was es wollte. Das Schicksal eines Mädchens, welches nicht auf seine Eltern hört, hält nur Kummer bereit. Eltern wollen doch wirklich das Beste für ihre Kinder. „Unsere Tochter soll in der Schule lernen, sie soll gut essen; wir werden sie in ein gutes Haus verheiraten. Sie wird eine Familie haben.“ Vielleicht hört das Kind auf seine Eltern und macht seinen Weg.

    Ein anderes Mädchen hört vielleicht nicht auf seine Eltern. Es rebelliert. Es leidet und wird sein Leid erdulden müssen. Das Schicksal eines Mädchens, welches seinen Eltern gehorcht, wird keinen Kummer kennen. Seine Eltern überlegen gut, mit wem sie ihre Tochter verheiraten. Später hat die Tochter das Recht, ihren Eltern zu sagen: „Ihr habt reiflich überlegt und mich verheiratet, und nun geht es mir schlecht.“ Sie darf sich bei ihren Eltern beklagen. Aber das Mädchen, welches auf eigene Faust geheiratet hat, kann sich bei ihren Eltern nicht beklagen; es hat sein Leid selbst geschaffen.

  • 14.
    kinderheirat
    Sara spricht über das Heiratsalter früher und heute. Aufnahme von Oktober 2002.
    2:03

    Bei uns werden die Mädchen im Alter von vielleicht zwölf oder dreizehn verheiratet. Wenn nicht mit zwölf, dann bestimmt mit dreizehn, vierzehn. Heutzutage finden die Hochzeiten natürlich viel später statt. Aber zu unserer Zeit wurde ein Mädchen mit dreizehn oder vierzehn verheiratet. Heutzutage ist sie zwanzig, fünfundzwanzig und immer noch nicht verheiratet.

    Ich glaube, sie hatten Angst, dass das Mädchen in schlechte Gesellschaft geriet. Deshalb verheirateten sie es schon als Kind. Aber heute hat niemand irgendwelche Bedenken. Sie geht mit diesem Burschen oder mit einem anderen, Zu meiner Zeit wurde sie früh verheiratet, damit nichts Unehrenhaftes geschehen konnte, damit es zu keinen Störungen in der Gemeinschaft kam.

    Die Eltern des Jungen sagten: „Du bist jetzt verheiratet. Du musst dich gut benehmen. Das Mädchen bleibt noch bei seinen Eltern. Du musst jetzt erwachsen werden und eine gute Arbeit finden. Du musst Geld verdienen.”

    Nach der Heirat führt der Junge das Mädchen noch nicht gleich in sein Haus. Nach der Hochzeit bleibt das Mädchen noch bei seiner eigenen Familie. Vermutlich, damit es nicht davonläuft. Sie ist nun gebunden. Sie wird eine junge Frau. Der Junge wird erwachsen und sucht sich eine Arbeit. Dann holt er sie nach Hause.

    Ich selbst wurde mit vierzehn oder fünfzehn Jahren verheiratet. Ich war dann noch ein oder zwei Jahre lang zu Hause. Als ich etwa siebzehn war, ging ich. Ich blieb dort etwa fünf Jahre lang. Dann verliess ich ihn.

  • 15.
    erste ehe
    Sara spricht über ihre erste gescheiterte Ehe. Aufnahme von Oktober 2003.
    5:39

    Als meine Mutter noch lebte, hatte sie kein Geld für meine Hochzeit. Ich war in diesen Jungen verliebt. Ich war damals ein vierzehn oder fünfzehn Jahre altes Mädchen und in diesen Jungen verliebt. Ich liebte und heiratete ihn. Nach der Heirat sagten seine Eltern: „Ihr habt ohne unser Einverständnis geheiratet, deshalb dürft ihr hier nicht wohnen, seht, wie ihr alleine zurechtkommt.“

    Wir lebten für uns; ich lebte mit ihm und es ging mir gut. Er arbeitete, und was er verdiente, brachte er nach Hause. Dann sagten die Eltern meines Mannes: „Wo du nun geheiratet hast, bring deine Frau nach Hause.“ Ich zog in sein Elternhaus, und mit der Zeit mochte mich meine Schwiegermutter. Ich lebte gut, mir ging es gut, aber dann verliebte sich mein Mann in ein anderes Mädchen. Tage- und nächtelang blieb er bei ihr, und wenn er dann nach Hause kam, ass er nicht richtig, redete nicht mit mir, sagte überhaupt nichts. Ich fragte: „Was ist denn los?“ Er sagte nicht: „Ich liebe ein anderes Mädchen.“ Er sprach mit seiner Mutter, er redete mit allen, aber zu mir sagte er kein Wort.

    Dann eines Tages erzählten mir seine Freunde, „er ist in ein anderes Mädchen verliebt.“ Ich sagte: „Ich glaube nicht, dass er sich in ein anderes Mädchen verliebt.“ Ein oder zwei Tage vergingen. Nach zwei oder vier Tagen stellte ich ihn zur Rede. Er sagte: „Nein, das ist nicht wahr, das sind nur Lügen.“ Zwei Tage später, nachts, ging er wieder weg. Ich fragte ihn: „Was ist los?“ Er sagte: „Nichts ist los. Ich liebe ein anderes Mädchen.“ – „Warum hast du mich dann geliebt und geheiratet? Wenn du dieses Mädchen liebst – warum hast du mich dann geheiratet?“ – „Mir war danach, ich heiratete dich. Nun gefällt es mir nicht mehr; ich werde dich verlassen.“ – „Du kannst mich nicht verlassen. Wohin soll ich gehen, was soll ich tun? Ich habe niemanden. Ich habe keine Mutter; meine Mutter ist gestorben, alle meine Brüder leben für sich. Wer wird sich um mich kümmern?“ Er sagte, „ich weiss nicht, wer sich um dich kümmern wird. Solange ich dich mag, behalte ich dich. Wenn ich dich nicht mehr mag, verlasse ich dich.“

    Er besuchte das Mädchen weiterhin, und in meinem Zimmer gab es keinen Frieden. Er schlug mich. Er sprach nicht mehr mit mir, er kam und ging, wie es ihm gefiel. Meine Schwiegermutter redete ihm ins Gewissen: „Warum zerstörst du das Leben dieses Mädchens? Warum hast du sie geheiratet? Ihr seid verheiratet, und jetzt gehst du mit einem anderen Mädchen, in das du dich verliebt hast. Was wird mit diesem Mädchen hier geschehen?” – „Sie wird sich um sich selbst kümmern. Sie wird mich verlassen und wieder heiraten.“ – „Ich kann nicht wieder heiraten. Ich habe niemanden – wohin soll ich gehen? Keine Kinder,“ sagte ich. Er hörte nicht zu.

    Er kam und ging. Dann heiratete er dieses andere Mädchen und brachte es in unser Zimmer. Er stritt sich mit mir, er schlug mich. Da sagte ich: „Gib mich frei. Ich werde nicht länger in deinem Haus essen. Bleibe du bei deiner Braut.” Er sagte: „Ich gebe dich frei.” Da sagten meine Schwiegereltern: „Gib dieses Mädchen nicht auf. Wenn du sie aufgibst, wird sie es schwer haben. Sie hat weder Mutter noch Vater, alle ihre Brüder leben für sich und scheren sich nicht um sie. Wo soll sie hingehen?“ – „Wo sie hingeht, haben wir ihr nicht vorzuschreiben. Sie wird einen Weg finden.“ – „Tu, was du für richtig hältst.“ Da gab er mich frei.

    Was sollte ich nun tun? Wo sollte ich hingehen? Es gab niemanden. Mein Mann lebte zusammen mit einem anderen Mädchen. Er hatte mich verlassen. Ich ging fort. Ich ging zu meinem Bruder. Mein Bruder sagte: „Er hat dich verlassen, da kann man nichts tun. Du kannst hier leben. Du wirst essen müssen, was wir haben. Du wirst essen, was wir in diesem Hause haben.” Ich blieb. Nachdem ich eine Weile dort gelebt hatte, fing mein Bruder an zu drängen, ich sollte mir eine Arbeit zu suchen. Deshalb sagte ich: „Gut, wenn ich eine gute Arbeit finde, werde ich sie annehmen. Dann werde ich ein bisschen Land kaufen und ein Haus bauen.“

  • 16.
    zweite ehe
    Sara spricht über ihren zweiten Partner – noch eine gescheiterte Beziehung. Aufnahme von März 2003.
    2:07

    Mein zweiter Mann – er stammt aus meinem Dorf. Wir kannten und liebten wir uns schon früher. Nachdem ich meinen Mann verliess, kamen wir wieder zusammen. Er kam wieder zu mir zurück. „Dein Mann hat dich verlassen. Nun werde ich mit dir leben.“

    Was den Ort hier betrifft: hier war ich schon früher. Hierher kam ich, nachdem ich meinen Mann verlassen hatte. Und er kam und besuchte mich hier. Er kam und sagte: „Gib die Strasse auf!“ Aber ich sagte: „Das kann ich nicht. Ich habe Kinder, ich habe eine Schwester. Du willst dich um mich kümmern, aber du wirst nicht für meine Familie sorgen! Wirst du ihnen zu essen geben? Nein, das wirst du nicht. Für mich kannst du sorgen, aber meine Familie kannst du nicht ernähren. Für meine Familie muss ich Geld verdienen.“ So war das.

    „Gut. Mache du, was du willst. Wenn es dir nichts ausmacht – mir macht es nichts aus. Kümmere du dich um deine Familie; ich kümmere mich um mich selbst. Ernähre du deine Familie, und wenn mir danach ist, komme ich, bleibe ein bisschen und gehe wieder nach Hause.

    Zuerst arbeitete ich in einem Haushalt in Chandni Chowk. Damals lernte ich einen Jungen kennen, der in einem Hotel arbeitete. Nach der Arbeit sahen wir uns und lernten uns kennen. Er brachte mich hierher. „Komm mit. Ich zeige dir ein paar gute Orte, wo du arbeiten kannst.“ Schliesslich sah, dass er den Strich meinte. Dann endete die Arbeit in dem Haushalt. Als damit Schluss war, kam ich hierher. Der Junge kam von Zeit zu Zeit, er redete, aber er war schlecht. Er trank viel. Deshalb verliess ich ihn.

  • 17.
    bordell
    Sara spricht über eine weitere gescheiterte Beziehung und über den Beginn ihres Anschaffens; sie verwendet dafür Umschreibungen wie „Arbeit auf der Strasse“ oder den englischen Begriff der „line“. Aufnahme von Oktober 2003.
    7:45

    Nachdem ich von Zuhause weggegangen war, arbeitete ich in einem Haushalt. Ich kochte, spülte das Geschirr, ich lebte dort und hatte zu essen. Vierhundert Rupien verdiente ich dort. Dafür machte ich die ganze Arbeit: Geschirr spülen... Ich wohnte in dem Haus, und in der Nähe meiner Arbeitstelle war ein Restaurant. In diesem Restaurant arbeitete ein Junge, in den ich mich verliebte. Ich mochte ihn. Ich arbeitete, und nach und nach verliebte ich mich in den Jungen. Ich ging mit ihm aus, wir machten Spaziergänge. Dann fragte der Junge: „Hast du Familie?“ Ich sagte: „Ich habe nur einen Bruder.“ – „Was bezahlen sie dir hier?“ Ich sagte: „Vierhundert Rupien.“ – „Reicht dir das?“ – „Es ist nicht genug, aber was kann ich tun? Ich bin alleine; ich habe niemanden. Ich habe weder Vater noch Mutter, ich bin ganz alleine und muss hier in Kalkutta leben.“ – „Nein. Komm, ich zeige dir einen Ort, wo sie dir viel mehr bezahlen werden. Es ist eine gute Arbeit. Du wirst viel Geld verdienen.“ Ich sagte: „Ich kennen niemanden, ich weiss nicht…“ – „Ich werde dich hinbringen.“ – „Gut. Wenn es dort gute Arbeit und gutes Geld gibt, will ich dort arbeiten.“ Aber nach diesem Gespräch gab ich meine Arbeit nicht gleich auf, ich lebte weiterhin in dem Haushalt. Der Junge sagte: „Gehen wir!“ Ich sagte: „Jetzt noch nicht. In einem Monat gehen wir und du zeigst mir, wo es gute Arbeit gibt, eine gute Anstellung und viel Geld.“ – „Gut.“

    Zwei Monate lang führte ich mit dem Jungen eine Beziehung, und es war gut. Aber diese vierhundert Rupien reichten einfach nicht. Deshalb sagte ich: „Zeig mir jetzt, wo ich gute Arbeit finde. Bring mich hin.“ Also brachte er mich hierher. Ich sah, von welcher Arbeit er gesprochen hatte. Er sagte: „Hier – das ist deine Arbeit.“

    Von da an ging ich jeden Tag aus und suchte Kunden. Der Mann, den ich liebte – er wollte mich heiraten. „Ich werde dich heiraten.“ Und dann brachte er mich hierher. Er schickte mich auf den Strich und heiratete mich nicht. Ich blieb. Er hatte gesagt: „Ich werde viel Geld verdienen, ein Haus bauen, und du wirst etwas Geld für dich selbst haben. Diesen vierhundert Rupien reichen doch nicht.“ Auf diese Weise redete er auf mich ein und brachte mich hierher. Ich blieb einen Monat lang in dem Haus. Ich ging aus und brachte Kunden.

    Manche Freier waren gut, andere waren schlecht. Manche Männer benahmen sich gut, andere benahmen sich schlecht. Was konnte ich tun? Wo ich nun einmal hier war, blieb ich. Dieser Mann nahm alles, was ich verdiente. Er blieb und ass, und trotzdem, Tag und Nacht gab es Streit, Schläge. Der Junge war kein guter Mensch. Anfangs dachte ich, er sei gut. Dann sah ich, dass es nicht so war, er war böse. Er trank viel. Nachts trank er eine Menge Schnaps. Dann beschimpfte mich oder machte sich über mich lustig. Ich jagte ihn fort: „Verschwinde. Du bist böse! Da ich nun mit dieser Arbeit angefangen habe, werde ich alleine leben; ich werde alleine verdienen und alleine leben.“

    Aber er blieb, er ging nicht weg. Er machte sich lustig über mich, er schlug mich. Ich sprach mit einem anderen Mann: „Schau, dieser Mann hat mich hergebracht. Ich arbeite die ganze Nacht, und er nimmt alles, was ich verdiene. Er beschimpft mich und schlägt mich – jage ihn fort.“ Man jagte ihn fort. Nachdem er weg war, lebte ich alleine. Ich arbeitete und behielt mein Geld. Ich ass, was mir schmeckte und tat, was ich wollte, ich trug gute Kleider. Mit dem Geld kaufte ich etwas Land im Dorf, für die Zukunft. Ich habe eine jüngere Schwester, ich musst mich um sie kümmern und sehen, dass es ihr gut geht.

    Als ich nach Hause kam, fragte man mich: „Wo wohnst du?“ Ich erzählte meinen Brüdern und den anderen im Dorf, dass ich in Kalkutta arbeitete. „Ich habe eine gute Arbeit in Kalkutta; ich verdiene tausend Rupien und kann dort wohnen.“ Ich erzählte ihnen nie, dass ich auf dem Strich arbeite, auf der Brücke. Ich sagte: „Ich habe eine gute Arbeit gefunden.“ Meine Brüder sagten: „Du lebst gut – bleibe dort.“

  • 18.
    teilen
    Eine Kultur des Teilens unter den Frauen in Saras Hausgemeinschaft. Aufgenommen im Oktober 2002.
    1:39

    Es gibt das Krankenhaus, und es gibt Ärzte. Für den Fall, dass bei uns jemand plötzlich krank wird, gibt es den staatlichen Arzt. Dann behandelt uns der Regierungsarzt.

    Wenn das Mädchen kein Geld für die Medikamente hat, wird sie es von der Gemeinschaft bekommen. Von jedem Haushalt: zehn Rupien von hier, so und so viel von da. Wir sammeln das Geld. Das Mädchen hat vielleicht sein Leben lang gearbeitet. Die Eltern leben nicht mehr. Niemand ist da, der sich um sie kümmert. Zuletzt kam sie hierher und ist nun ganz alleine. Deshalb sammeln wir von der Gemeinschaft zehn Rupien von hier, fünf Rupien von da, und bringen sie ins Krankenhaus. Und wenn sie gesundwird, macht uns das auch stolz: dass wir mit unseren Bemühungen das Mädchen gerettet haben.

    Nehmen wir an, jemand stirbt, und es ist kein Geld da für die Bahre und die Blumen. Dann sammeln wir Beiträge innerhalb unserer Gemeinschaft, wir kaufen die Bahre und die Blumen und bringen den Leichnam zur Verbrennungsstätte. Diese Sitte pflegen wir in unserer Gemeinschaft.

    So ist das in unserem Haus; du kannst es selbst sehen. Vielleicht habe ich etwas Reis, aber ich habe kein Gemüse. Jemand gibt mir ein bisschen Curry, und ich gebe jemand anderem Reis oder Fleisch. Unter uns Freundinnen praktizieren wir dieses Geben und Nehmen. „Ich gebe dir dies nicht oder gebe dir jenes nicht” – sowas kennen wir nicht. Wir haben nichts dagegen, miteinander zu teilen. Natürlich, wenn ich mit einem Mädchen Streit habe, bekommt sie von mir eine Zeitlang nichts. Ich frage sie auch nicht was sie kocht.

  • 19.
    sauberkeit reinheit
    Sara spricht über die Bedeutung von Sauberkeit im Haushalt und Reinheit im Herzen der anschaffenden Frauen. Aufnahme von März 2003
    2:51

    Dieses Haus wird ständig benutzt. So wie wir im Dorf den schmutzigen Hof fegen, halten wir auch diesen Hof sauber. Sauberhalten bedeutet, dass wir ihn abends mit Gangeswasser benetzen. Warum tun wir das? Die Frauen verdienen Geld, sorgen für ihr Einkommen. Lakshmi kommt; Geld kommt ins Haus. Deshalb muss der Gang sauber sein. Deshalb bespritzen wir ihn mit Wasser. Warum verbrennen wir Räucherwerk? Es ist rein, wie das Wasser. Warum verbrennen wir Weihrauch? In ihren Zimmern haben die Mädchen ihren Gott. Sie machen puja. In jedem Zimmer gibt es eine Gottheit, die verehrt wird. Indem Räucherwerk verbrannt wird, bleiben die Zimmer der Mädchen rein. Reinheit bedeutet, dass es den Mädchen gelingt, etwas Geld zu verdienen, und so ist alles in Ordnung. Kein Wind, kein böser Geist, nichts Böses geschieht. Strassenmädchen... Deshalb müssen wir diesen Platz reinhalten. Wie ein Laden; der Besitzer fegt und wischt seinen Laden. Er zündet Räucherstäbchen an, verbrennt Weihrauch. Hier ist es genauso. Sie verbrennen Räucherwerk, verneigen sich vor ihrer Gottheit, dann gehen sie hinaus auf die Strasse, und nichts Böses stösst ihnen zu. Die Strasse ist gut zu ihnen, sie bleiben gesund, Lakshmi betritt ihr Zimmer, und die Frauen verdienen ein bisschen Geld. Deshalb werden Räucherstäbchen und Weihrauch verbrannt.

    Wir selbst baden und halten uns rein, und Lakshmi kommt. Wenn ein Mädchen schmutzig ist und keine Räucherstäbchen und keinen Weihrauch verbrennt, wird Lakshmi ihr Zimmer nicht betreten. Kein Geld wird kommen. Will Lakshmi ein schmutziges Haus betreten? Will die Gottheit ein solches Haus betreten? Bestimmt nicht. Deshalb achten wir auf unsere Reinheit.

    Heute bin ich dran, morgen sie. Es gibt keinen Streit, keinen Groll, wir regeln das untereinander. Heute bin ich dran, morgen sie, übermorgen jemand anders, der Reihe nach. Wenn ich es einmal nicht tun kann, bitte ich jemand anders, für mich zu übernehmen, und ich gebe ihr zwanzig Rupien. Wenn ich es selbst tue, wische ich das Haus nass auf und trockne nach mit einem Lappen. Der ganze Hof muss nass aufgewischt und nachgetrocknet werden. Auch vor den Zimmern: der Flur wird nass aufgewischt und getrocknet. Dann zünde ich Räucherstäbchen und Weihrauch an. Das ist alles.

  • 20.
    freier
    Sara spricht über unterschiedliche Kundschaft. Aufnahme von Oktober 2003.
    3:56

    Die Mädchen auf der Brücke… Ein starkes, junges, hübsches Mädchen hat viele Kunden und verdient gutes Geld. Tag für Tag besuchen Freier die jungen, starken, guten Mädchen. Einige Frauen aber sind nicht mehr stark, sehen nicht mehr gut aus, sie sind alt geworden; zu diesen gehen nicht viele Männer, und sie bekommen auch nicht so viel Geld. Die jungen Gutaussehenden gehen zur Brücke und finden ihre Kunden. Aber jene, die schon etwas älter sind, die alt geworden sind, werden von Taxifahrern und Tagelöhnern besucht. Gute Leute, reiche Männer – Werkstattbesitzer, Büroangestellte, gute Männer mit viel Geld gehen zu den guten, hübschen Mädchen. Wenn ein Mädchen gut aussieht, schön ist, bekommt sie gute Kunden: Leute, die in Büros arbeiten, Geschäftsleute – solche Leute. Zu denen, die alt geworden sind, gehen die Tagelöhner und Taxifahrer.

    Es kommt vor, dass einer dasselbe Mädchen immer wieder besucht. Er mag sie, vielleicht heiratet er sie und führt sie nach Hause. Er heiratet sie, behält sie bei sich, gründet mit ihr eine Familie, und das schlechte Mädchen wird gut. Das Mädchen war schlecht, sie machte den Strich auf der Brücke, aber ein guter Mann nahm sie mit, damit sie nicht mehr in diesem Beruf arbeiten musste und sich bessern konnte. Er nahm sie mit, und nun führt sie ein gutes Leben. Es gibt andere, die ein Mädchen mochten und hiergeblieben sind. Sie blieben hier im Quartier, sie essen und leben hier. Frauen, die alt geworden sind, haben kein gutes Leben mehr, sie müssen von dem leben, was sie bekommen. Kein guter Mann geht zu einer Frau, die alt geworden ist. Die guten Männer gehen zu den guten, hübschen Mädchen.

  • 21.
    gemeinschaft
    Sara über das Altern in ihrem Beruf. Aufnahme von Oktober 2002.
    2:06

    Nehmen wir an, ich werde alt. In meinem Körper steckt nicht mehr so viel Energie. Ich muss einsehen, dass ich diese Arbeit nicht mehr tun kann. Ich muss mir Arbeit in den Häusern fremder Leute suchen. Aber manche Frauen legen Geld zur Seite. Die eröffnen dann einen Laden oder machen andere Geschäfte und kommen so zurecht. Aber eine Frau, die nichts gespart hat, die Geld verdiente und ihr Geld ausgab, wird irgendwann in einem fremden Haushalt arbeiten und sich so ihren Lebensunterhalt verdienen müssen. Eine kluge Frau hat vielleicht zwei- oder dreihunderttausend auf der Bank. Sie nimmt das Geld, eröffnet ein Geschäft und lebt zufrieden.

    Es gibt hier Frauen, die ihre eigenen Häuser und Autos kauften. Die hunderttausende von Rupien auf der Bank hatten, und als ihre letzte Zeit kam, hoben sie das Geld ab und fingen ein Geschäft an oder eröffneten einen Laden.

    Vielleicht leben sie auch weiterhin hier. Warum auch nicht? Sie schaden doch diesem Ort nicht. Es gibt eine Regel in dieser Gemeinschaft: Ausserhalb kannst du tun, was du willst. Aber achte darauf, dass die Gemeinschaft sicher bleibt. Schütze die Gemeinschaft, führe ein gutes Leben, dann wird die Gemeinschaft auch dich beschützen.

  • 22.
    jenseits
    Sara mutmasst über ihr dereinstiges Schicksal im Jenseits. Aufgenommen im Oktober 2003.
    1:47

    Ich bin hierhergekommen; Allah schickte mich in diese Welt. Allah sagte: „Du wirst heiraten, gut und wie es sich gehört. Als guter Mensch wirst du im Hause deines Mannes leben!“ Aber das war nicht mein Schicksal. Allah bestimmte: „Dein ganzes Leben lang wirst du auf der Brücke stehen; du wirst arbeiten und leben.“

    Wenn ich gestorben bin, werde ich zu Allahs Haus gehen, und Allah wird fragen: „Warum hast du diese schmutzige Arbeit getan? Warum hast du dich auf die Brücke gestellt und diese schmutzige Arbeit getan?“ Ich werde sagen: „Wie sonst hätte ich essen sollen? Ich hatte keine Wahl.“ Allah wird antworten: „Du hättest Geschirr spülen und essen können. Du hättest eine andere Arbeit finden und essen können. Du hättest Kleider waschen und essen können. Warum hast du diese schmutzige Arbeit getan?“ Und ich werde antworten: „Ich war dazu gezwungen.“ Allah wird sagen: „Nein. Es ist eine schmutzige Arbeit. Es ist Sünde.“ Dann wird er meine Strafe bestimmen, eine harte Strafe. Sie werden Messer in mich einführen. Feuer. Sie werden mich mit Messern schneiden und mit Feuer brennen; sie werden mir Schmerzen zufügen. Er wird sagen: „Habe ich dich in die Welt geschickt, um das zu tun?! Ich schickte dich, damit du deinem Mann ein gutes Haus führst, damit du gut lebst, gut isst – dafür schickte ich dich. Ich schickte dich nicht, damit du diese Arbeit tust.“ Das Mädchen wird sagen: „Ich schaffte das alles nicht.“ Allah wird sein Urteil verkünden.

  • 23.
    alltag
    Sara über die Freizeit tagsüber. Aufnahme von Oktober 2002.
    1:42

    Ich mag Kalkutta. Ich lebe hier seit etwa zehn Jahren. In diesen zehn Jahren begann ich, mich hier heimisch zu fühlen und die Stadt zu mögen, weil ich hier ein bisschen verdienen und sorglos leben kann. In meiner Heimat – was gibt es dort schon zu verdienen?

    Manchmal gehen wir ins Kino. Manchmal machen wir einen Ausflug zum Victoria Memorial. Manchmal in den Zoo. Ich sitze da und merke, dass sich meine Stimmung verdüstert. Dann sage ich: „Kommt, lasst uns ins Kino gehen!” Und wir gehen und sehen uns einen Film an. An einem anderen Tag sitze ich alleine da und bin unzufrieden. Dann sage ich: „Kommt, lasst uns zum Victoria gehen.” Und wir gehen. An einem weiteren Tag sitze ich zu Hause und bin ein bisschen traurig, und wir gehen in den Zoo. Unsere Stimmung hellt sich auf.

    Schliesslich habe ich weder Mutter noch Ehemann. Ich langweile mich, wenn ich alleine zu Hause sitze. Deshalb gehen wir aus und amüsieren uns ein bisschen. Es ist unser eigenes Geld und unsere Sache, was wir damit tun. Ich habe keinen Mann, ich kann nicht zu Hause sitzen und jemand kümmert sich um mich. Deshalb ist es mein eigenes Geld und meine Sache, was ich damit tue. Und wenn es Zeit ist für die Arbeit, dann gehen wir, und dann kommen wir wieder zurück.

  • 24.
    guter mann
    Saras beschreibt einen „guten Mann”…
    2:00

    Ein guter Mann ist ein reicher Mann, sehr reich. Er hat vielleicht sein eigenes Geschäft, er steht auf eigenen Füssen und es geht ihm gut. Einer der arm ist, der hat keine Arbeit, nur Schwierigkeiten. Vielleicht arbeitet er im Haus eines anderen, oder er lebt vom Verdienst seiner Eltern. Wenn er arm ist und wegen irgendwas beschuldigt wird, steckt man ihn ins Gefängnis. Aber wenn er reich ist, und es passiert etwas – er fürchtet sich vor nichts. Er weiss, dass er Geld hat. Er bezahlt, und die Leute sagen, er sei ein guter Mann.

    Wenn ein Mädchen reich ist und gebildet, findet sie Arbeit, hat Geld, und es geht ihr gut. Die Armen haben keine Arbeit, nichts – nur Schwierigkeiten. Ein armes Mädchen bekommt keine Arbeit. Sie arbeitet in den Häusern anderer, oder sie lebt von dem, was ihre Eltern ihr geben. Und manche arme Mädchen gehen auf die Strasse und werden schlecht. Was die Reichen angeht – die haben keine Probleme. Sie haben Geld, sie leben gut, sie essen gut, und niemand sagt ein böses Wort über ihre Töchter, selbst wenn sie schlecht sind. Sie haben Geld, und mit Geld kann man alles aus der Welt schaffen. Sie haben Geld, sie haben einen guten Ruf, sie haben alles. Sogar Computer. Sie haben keine Probleme; Probleme sind nur für die Armen. Die haben keine Arbeit, gar nichts. Die Töchter der Reichen – die leben gut. Die armen Mädchen haben Probleme.

  • 25.
    gute frau
    … und eine „gute Frau”. Aufnahme vom 2. September 2004.
    1:34

    Die Reichen verheiraten ihre Tochter, geben viel Geld aus, und die lebt dann gut und glücklich. Manchmal wird ein Mädchen teuer verheiratet, aber nach einiger Zeit verliebt sich der Mann in ein anderes Mädchen und verlässt sie. Die Reichen nehmen die Tochter zurück und kümmern sich um sie, sie haben damit keine Schwierigkeiten. Aber die Eltern eines armen Mädchens mussten herumzulaufen und Land verkaufen, um sie zu verheiraten. Sie leben eine Weile als Paar, aber er gehört zu der Sorte Männer, die irgendwann weglaufen. Sie haben zwei Kinder – er verlässt sie. Vater und Mutter sind arm. Sie verstehen nicht. Das Mädchen leidet. Bei uns zu Hause gibt es viele, die Arbeit suchen. Manche Mädchen stricken Pullover, andere rollen Zigaretten, manche arbeiten in den Häusern anderer und schlagen sich durch. Wenn der Mann weg ist, haben sie keine Wahl. Sie müssen jede Arbeit annehmen, die sie bekommen können. Reiche Jungen und Mädchen haben keine Probleme. Ihnen geht’s gut. Aber die Schwierigkeiten der armen Mädchen… Nicht alle Männer sind gleich. Mancher heiratet und kümmert sich um seine Frau. Aber mancher verliebt sich in jemand anderen und verlässt seine Frau. Das Mädchen hat nun Probleme.

  • 26.
    fleiss und faulheit
    Sara kontrastiert die Tugend Fleiss und das Laster der Faulheit. Aufnahme von Oktober 2003.
    4:29

    Ich erwache am Morgen, stehe auf, wische den Zimmerboden auf, spüle Geschirr, mach die Wäsche, gehe zum Markt und koche. Im Haus leben vielleicht zwei oder drei Mädchen, und wir entscheiden: „Du spülst das Geschirr und nimmst den Boden auf; ich gehe auf den Markt.“ Oder ich sage: „Du kochst.“ Sie sagt: „Uff! Ich mag nicht, ich habe Kopfschmerzen.“ Und die nächste: “Uff! Ich habe Kopfschmerzen!“

    Manche von ihnen fürchten sich vor der Arbeit. Sie sind faul. Schwerfällig und faul. Sie wollen am liebsten überhaupt nichts tun, sondern nur dasitzen und faulenzen. Aber das ist schlecht für den Körper. Wenn man fleissig arbeitet, bleibt der Körper frisch. Die Arbeit ist immer wieder anders – den Boden wischen, Geschirr spülen – mit solcher Arbeit bleibt der Körper bei Kräften, der Körper bleibt stark.

    Wenn man sagt: „Das kann ich nicht…“ Was die wollen, ist bloss dasitzen und essen. „Ich setze kurz hin und esse etwas. Irgendjemand wird schon kochen. Irgendwer wird kochen, und ich werde essen.” Sie lassen ihren Körper nicht arbeiten. “Ich schone meinen Körper.” Wenn man nicht arbeitet, wenn man den Boden nicht wischt und auch sonst nichts tut, bekommt der Körper keine Kraft. Er wird nur immer noch fauler. Und je mehr man arbeitet – je mehr man kocht, spült, zum Markt geht – desto besser.

    Aber eine, die sagt: „Das kann ich jetzt nicht!“ Ist ein Taugenichts mit dem Geist eines Teufels. „Ich mache nichts, ich will einfach dasitzen, spazieren gehen, schlafen“ – sie schaden sich nur selbst, sie schaden ihrem eigenen Körper. Es gibt immer jemanden, der Kopfschmerzen hat, Schmerzen in den Beinen, Fieber… sie selbst sind der Grund dafür. Wenn man seinen Körper immer aktiv hält, bleibt er bei Kräften. Wenn man nicht arbeitet, wird der Körper immer schwächer. Das Blut fliesst nicht richtig. Der Körper verliert seine Kraft. Wenn man fleissig arbeitet und läuft, zirkuliert das Blut, und der Körper bleibt stark. Wenn man will, dass jemand anders die Arbeit erledigt, braucht man Geld.

    Die VIPs haben eine Menge Geld. Die können es sich leisten. Aber wenn jemand die ganze Zeit sagt: „Das kann ich jetzt nicht!“ Glaubt sie vielleicht, jemand anderes wird die Arbeit für sie erledigen? Niemand ist dazu bereit. Man muss selbstständig arbeiten und essen. Es ist gut, selbst zu kochen und zu essen. Es ist gut, Geschirr zu spülen und selbst zubereitetes Essen zu essen. Wer soll es sonst für einen tun? Ein Mädchen, das sich vor der Arbeit fürchtet, das in Panik verfällt, wenn es Arbeit nur schon sieht, ist kein gutes Mädchen. Wenn es ausgeht, unter die Leute geht, jemanden besucht und dann nur dasitzt mit den Händen im Schoss, wird es sich einiges anhören müssen.

    Aber von einem fleissigen Mädchen, das seine Arbeit macht, werden die Leute sagen: „Dieses Mädchen ist gut. Sie fürchtet sich vor keiner Arbeit. Sie ist bereit, alles zu tun: die Teller zu spülen, zu kochen.“ Aber ein faules Mädchen wird überall zu hören bekommen: „Sie fürchtet sich, wenn sie Arbeit schon nur sieht.“ Niemand mag ein solches Mädchen. Aber ein fleissiges Mädchen wird von allen gemocht. Fertig.

  • 27.
    kochklänge
    Sara kocht das Abendessen; Aufnahme von Oktober 2003.
    32:07

    Sara kocht das Abendessen; Aufnahme von Oktober 2003. Die Geschichte dazu finden Sie im Beitrag „Der Puff“ in: Marschall, Wyss-Giacosa, Isler, „Genauigkeit: Schöne Wissenschaft“ (2008, 143–157).

  • 28.
    kein vertrauen
    Sara vertraut den Männern nicht. Aufnahme von Oktober 2003.
    6:22

    Heutzutage sollte man sich nicht zu sehr auf Freunde einlassen. Die heutigen Jungs sind schlecht. Wenn ein Junge ein Mädchen sieht, schenkt er ihm zuerst viel Liebe. Er liebt das Mädchen und möchte es für sich haben. Nach ein paar Tagen glaubt ihm das Mädchen vielleicht und verliebt sich in ihn, und er verliebt sich in sie. Aber nach ein paar Tage, zwei oder vier Monaten, ist das Herz des Jungen gesättigt, und er ändert sich.

    Die eigene Mutter – sie liebt dich vielleicht. Aber heutzutage wird sie von den Brüdern und Schwestern bloss zu ihrem Vorteil geliebt. Alle sind sie auf Geld aus. Mutter und Vater sind gut, selbst wenn man ihnen kein Geld gibt. Zwölf Monate lang stillt die Mutter das Kind ihres Leibes, und ob dieses Kind gut oder böse ist – sie muss es hinnehmen. Andere müssen das nicht.

    Wenn der Junge heiratet, trennt er sich von seiner eigenen Familie. Er kümmert sich nicht mehr um seine Schwester, er kümmert sich nicht mehr um seine Mutter, er kümmert sich nur noch um seine eigene Familie. Doch wie schlecht die Söhne auch sind, ihre Mutter liebt sie. Die Mutter liebt ihre Söhne und Töchter, sie macht sie zu Menschen und zieht sie gross. „Sie werden Geld verdienen und uns später ernähren und sich um kümmern.“ Aber die Jungen heutzutage kümmern sich nicht mehr um ihre Eltern. In dieser Welt kümmert sich keiner um keinen. Keiner kümmert sich um jemand anders.

    Die Jungs heutzutage heiraten, behalten ihre Frauen eine Weile lang und verstossen sie dann. Der Junge verliebt sich dann in ein anderes Mädchen – wem kann man noch trauen? Keinem kann man vertrauen. Heutzutage liebt er dich zwei Tage lang, dann wird er böse. Ein paar Tage lang ist der Junge in ein Mädchen verliebt, er heiratet es, behält es bei sich; ein paar Tage später verstösst er es. Er sagt: „Das Mädchen ist schlecht“ und bringt Schande über sie. „Du gehst mit anderen Männern.“ Er lädt Schande auf sie und versucht, sie zu verletzen. Indem er ihr übel nachredet, versucht er sie zu verletzen.

    Es heisst, das Kind des eigenen Leibes sei gut. Aber der Tag kommt, wo sogar dieses Kind böse wird. Die Tochter liebt vielleicht ihre Eltern. Das ist alles. Jenseits dieser Beziehung traue ich keinem. Ich vertraue meinen Eltern; meinen Freunden vertraue ich nicht, und sogar der eigene Ehemann wird böse.

    Vielleicht verkauft er seine Frau einem anderen. Oder er fängt etwas mit einer anderen an. „Ich will essen, ich will mich entspannen.” Heutzutage wollen so viele Männer nur das. Heutzutage sind es die Männer, die alles verderben. Mit Lügen bringen sie die Mädchen hierher: „Ich werde dich heiraten! Ich liebe dich!“ Mit solchen Worten bringen sie sie her und lassen sie diese hässliche Arbeit tun. Und dann geben sie das Geld aus, das sie verdient. Die Männer bringen sie her und nützen sie aus, oder sie verkaufen sie weiter.

    Vielleicht ist auch alles gar nicht so schlimm, aber ich vertraue keinem. Man sollte niemandem irgendwohin folgen. Man sollte mit niemandem über die Dinge des Herzens sprechen. Man sollte diese Dinge als Geheimnis für sich behalten.

    Das Beste ist, seinen eigenen Weg zu gehen. Zu gehen, wie jemand anders es verlangt, ist falsch. Man sollte keinem folgen, der sagt: „Komm hierher, geh dorthin!“ Es lohnt sich nicht. Man sollte nur tun, was man selbst für richtig hält.

  • 29.
    hindus und muslime
    Sara über ihre Hausgemeinschaft von Muslimen und Hindus, aufgenommen im Oktober 2002.
    2:34

    Sagen wir, sie ist eine Hindu. Sie verehrt Bhagwan und macht puja. Ich verehre meinen Allah und gebe ihm mein salaam. Sie nimmt ein Bad und macht die puja. Ich nehme ein Bad und bete zu Allah. Sie hat ihre eigene Religion, ihren eigenen Glauben. Es spielt keine Rolle, dass wir nicht gemeinsam beten. Sie verehrt ihren Bhagwan, ich verehre meinen Allah. Im Gebet ist jede für sich.

    Wir fragen nicht: „Warum verehrst du Bhagwan?” Oder: „Warum betest du zu Allah?” Wir haben nie Streit wegen dieser Dinge. Du verehrst deinen Bhagwan; ich verehre meinen Allah.

    Einmal im Jahr, zur Zeit des Id, gehen wir nach Hause. Jetzt gerade haben wir ramzan, die Fastenzeit hat heute begonnen. In einem Monat werden wir Id-uz-zoha haben, dann gehen wir nach Hause. Dort versammeln wir Frauen uns in einem Haus, im Haus des Dorfchefs oder in einem anderen grossen Haus. Fünfzehn oder zwanzig Frauen versammeln sich dort und beten. Denen, die nicht wissen, wie man betet, wird es beigebracht.

    Sprichst du namaz auch in deinem Zimmer?

    Nein. Aber möglich wäre es. Wenn man das Zimmer und das Bett saubermacht, ist es möglich. Namaz kann überall gesprochen werden. Willst du namaz auf der Strasse sprechen – auch das ist möglich. Alles muss sauber sein, und auch das Herz sollte rein sein. Wenn das Herz rein ist, ist es möglich.

  • 30.
    traumzimmer
    Ein Fakir-Lied – das muslimische Äquivalent eines hinduistischen Baul-Liedes, obschon Fakire wie Baul die Nutzlosigkeit von Religion und Kaste betonen und eine mystische, direkte Verbindung zum Göttlichen anstreben. Die Sängerin hier ist Sara; die Aufnahme stammt vom Januar 2005.
    3:49

    Ich träume / im Zimmer der Träume. / Wie ich erwache, ist nichts davon da. / War mein Traum Lüge oder Wahrheit? / Aus Gold errichtete ich ein Haus; / das Haus wurde von Termiten zerfressen; / mein Herz hat’s zu ertragen. / Das grosse Boot treibt dahin, / Wasser dringt ein, / womit soll ich es schöpfen? / Mein Herz hat’s zu ertragen. / Gabriel wird herbeieilen, mir Arme und Beine binden. / Wer, wenn nicht der Herr, / wenn nicht der Prophet, / könnte mich befreien? / Die Worte des Propheten, / der dreissigteilige Koran – / dieser Koran wird kein Leid bewirken.

  • 31.
    keiner da1
    Sara erzählt einen Traum, in welchem jemand sie rief, doch keiner war da. Aufnahme von November 2005.
    2:18

    Ich schlief, ich träumte; es war vielleicht eins, halb zwei in der Nacht. Ich träumte, wie ich auf den Markt ging und dies und jenes kaufte und nach Hause brachte. Danach spülte ich Geschirr, wischte den Boden, tat die ganze Hausarbeit. Ich hole Wasser. Ich träumte, wie ich um acht oder neun Uhr früh zum Markt ging. Als ich zurückkam, fing ich an zu kochen. Ich holte Holz, zündete den Lehmkocher an, legte die Kochutensilien zurecht. Ich machte mich ans Kochen und setzte den Reistopf aufs Feuer. Und dann hörte ich, wie mich jemand rief: „Sara!“ Ich antwortete nicht. Ich antworte nie, wenn jemand nur einmal ruft. Wenn sie zweimal, dreimal rufen, meistens dreimal, dann antworte ich. Diesmal hörte ich jemand zweimal rufen, ich ging und öffnete die Tür. Niemand war da. Ich schaute nach links, nach rechts – keiner da. Ich kochte nicht, ich wischte nicht den Boden, ich tat überhaupt nichts – es war ein Uhr in der Nacht. Ich erwachte, schaute auf die Uhr, es war halb zwei in der Nacht. Ich merkte, dass ich geträumt hatte und legte mich wieder hin. Das war’s.

  • 32.
    mutter
    Reba spricht über einen Besuch ihrer verstorbenen Angehörigen im Traum. Aufnahme von März 2003.
    2:29

    Eines nachts lag ich da und schlief, und ich sah, dass meine Mutter gekommen war und mir übers Haar strich. Sie sagte: „Liebes, ich bin immer noch in deiner Nähe.” Ich war traurig. Ich war ganz alleine; ich hatte niemanden. Eines nachts im Schlaf sah ich meine Mutter. Sie sagte: „Liebling! Gibst du mir etwas zu essen?“ In dem Moment war mir nicht klar, dass sie tot war. „Möchtest du Reis? Setz dich, Mutter.“ – „Soll ich ganz alleine essen?” Auch mein älterer Bruder war gekommen. Auch er war tot. „Dein Bruder ist hier, deine Grossmutter ist hier, dein Vater ist hier – und ich soll ganz alleine essen?” – „Gut. Sage ihnen, sie sollen sich setzen.“ Sie alle setzten sich hin.

    Nach dem Essen gingen sie fort. Ich schlief noch immer und sah meine Grossmutter. Sie sagte: „Gib mir etwas Wasser.“

    Als ich mit dem Wasser zurückkam, sah ich, dass Vater und Mutter nicht da waren. Onkel und Grossmutter waren nicht da. Ich fragte: „Wo sind sie hingegangen?“ Mein Bruder sagte: „Als du weggingst, um das Wasser zu holen, sind sie dir gefolgt!“ – „Ich habe sie nicht gesehen!“ – „Doch, sie waren gleich hinter dir!“

  • 33.
    tränen
    Reba weint im Schlaf. Aufnahme von März 2003.
    1:47

    Ich schlief und fühlte mich traurig. Mein Vater kam und strich über mein Haar: „Warum weinst du? Ich bin bei dir. Wovor fürchtest du dich? Ich bin doch hier und streichle dein Haar!” Manchmal bin ich traurig. Meine Mutter sehe ich nicht so oft. Sie sah ich nur ein oder zwei Mal. Mein Vater kommt hin und wieder; er liebte mich sehr. Ich war die einzige Tochter. Er kam von Zeit zu Zeit und setzte sich zu mir her. „Ich bin gleich hier, neben dir. Warum bist du traurig?“ Hin und wieder sah ich ihn. Ich war voller Trauer und wollte nur weinen. Ich liebte meine Mutter. Mein Vater starb, als ich sehr klein war. Als ich zehn oder elf war, starb mein Vater. Das ist es, was ich hin und wieder sehe.

    Ich weinte im Schlaf. Es fing an zu dämmern. Ich weinte im Schlaf und wachte nicht auf. Und manchmal sah ich im Schlaf, wie es Morgen wurde, und ich erwachte. Ich weinte in mir drin, aber manchmal flossen Tränen aus meinen Augen.

  • 34.
    keiner da2
    Sara erfährt in ihren Träumen keinen Trost. Aufnahme von Oktober 2002.
    3:15

    Als ich sehr jung war, vielleicht zehn oder elf Jahre alt, sah ich viele Träume. Träume, wie ich erwachsen würde, dass ich eine gute Ehe haben würde, dass ich einen guten Mann haben würde, dass ich viel Geld verdienen und glücklich leben würde. Diesen Traum sah ich oft, als ich klein war. Ich wurde älter, und es geschah, dass ich in ein Haus heiratete, wo ich mit meinem Mann zwei oder drei Jahre lang glücklich lebte. Dann verliebte er sich in ein anderes Mädchen, und meine Familie zerbrach. Mein Traum, wie ich erwachsen würde, eine glückliche Ehe führen und glücklich leben würde, wurde nicht Wirklichkeit. Auch dieser Traum zerbrach.

    Manchmal sehe ich einen Traum: Ich halte ein Kind auf dem Schoss, ich spiele mit diesem Kind. Und am Morgen stehe ich auf und sehe – niemand ist da.

    Mein Schicksal war immer düster. Ich sehe nicht einmal Träume von Vater und Mutter. Es gibt Leute, die sehen ihren Vater, ihre Mutter, ihren Mann – alle. Ich kann niemanden sehen. Vielleicht ist Mutter gestorben. Ich schlafe, und meine Mutter kommt und streicht mir über den Kopf. Solchen Trost erhalte ich nie.

    Oder dass ich schlafe, und mein Vater erscheint und fragt: „Wie geht es deinem Kind? Wie geht es dir?” Das sehe ich nie. Meine Mutter ist seit fünf Jahren tot, und in diesen fünf Jahren habe ich sie nicht ein einziges Mal gesehen. Aber meinen Mann, der mich verlassen hat – ihn sehe ich in meinen Träumen.

  • 35.
    kinderlos
    Sara erinnert wirre Träume. Aufnahme von Oktober 2002.
    3:07

    Gestern lag ich im Bett und träumte. Ich dachte: „Mein Mann ist nicht bei mir“. Dann träumte ich, wie ich nach Hause kam und meine Freunde sagten, mein Mann sei gestorben. Ich sagte: „Wie kommt es, dass er so plötzlich gestorben ist?“ – „Er starb durch Streit und Gewalt.“ Ich sagte: „Nein, das ist Unsinn.“ Sie sagten: „Nein, das ist kein Unsinn.“ Ich sehe eine Menschenmenge näherkommen; die Leute streiten und prügeln sich.

    Ein andermal schlief ich und fürchtete mich plötzlich: jemand drang in mein Haus ein. Mir war nicht nach Arbeit. In manchen Nächten träume ich wirr von Blumen und Früchten. Gestern lag ich im Bett, und plötzlich war mir alles zuwider.

    Mein Herz klopft heftig. Ich bin ganz alleine. Vater und Mutter sind gestorben. Ich träume, wie jemand kommt und mich packt; er versucht mich zu schlagen. Manchmal kommt eine Schlange. Manchmal sehe ich einen Baum übersät mit Blüten und Früchten. Die Leute fragen: „Was hast du denn?“ Nachts kann ich nicht schlafen, ich fühle mich rastlos. Einmal träumte ich, wie jemand aus meinem Dorf kam und mich rief; er sagte: „Lass uns gehen.” Ich habe viele solche Träume. Die meisten vergesse ich. Manchmal kommen Leute, die mich packen und schlagen. Manchmal führen sie mich durch gewundene Gassen. Ich versuche, mein Herz zu beruhigen, wenn ich morgens erwache und sehe, dass da keiner ist. Was das wohl alles bedeutet?

    Manchmal kann ich nicht atmen. Ich fühle, wie ich sterbe. Ich gehe auf der Strasse und bin verzweifelt. Ich habe hier niemanden, und nichts macht mir Freude. Manchmal sehe und fühle ich, wie ich ein Kind stille. Ich hatte ein Kind, aber es starb. Seither bin ich kinderlos. Ich verstehe nicht, warum ich diese Dinge sehe.

  • 36.
    verirrt
    Sara wird von Teufeln entführt. Aufnahme vom 2. September 2004.
    1:41

    Ich schlaf und sah im Traum, dass ich weit gereist war und mich verirrt hatte. „Was ist passiert? Ich kann mein Zuhause nicht sehen – wo bin ich?“ Dann sah ich in der Ferne einen grossen Fluss, einen Fluss mit hoch fliessendem Wasser. Ich dachte: „Das ist nicht mein Zuhause. Wo bin ich bloss? Ich kenne diesen Ort nicht.“ Der Teufel hatte mich dorthin geführt. Nachts hatten mich Teufel dorthin geführt. Im Traum konnte ich sie sehen, wie sie mich lockten: „Komm! Komm!“ Wir gingen sehr weit, und dann sah ich, dass da gar nichts war. In allen vier Richtungen nur Dschungel und mehr Dschungel und Bäume. Ich sah keine Häuser, nur den Fluss, Wasser. Und was tat ich nun? Ich drehte mich um und ging zurück. Unterwegs begegnete ich einem uralten Mann. Ich fragte ihn: „Ich möchte zu dem und dem Ort – wo liegt er?“ – „Aber dieser Weg führt dort nicht hin, es ist nicht der richtige Weg. Wie bist du hierhergekommen?“ – „Ein Freund lud mich ein, und hier bin ich. Ich habe eine Reise unternommen.“ Er sagte: „Nein, geh wieder nach Hause. Dreh dich um und geh wieder nach Hause!“ Also ging ich wieder nach Hause. Eine halbe Stunde lang sass ich draussen, ass, ging ins Zimmer und legte mich schlafen. Nach einer Weile erwachte ich und sah, dass da gar nichts war. Ich lag nur in meinem Zimmer.

  • 37.
    verbrennungstätte
    Die von Sara erwähnten Dom sind eine in ganz Nordindien verbreitete ethnische Gruppe, die als Trommler bei Festivals und Privatfeiern auftreten, und aus deren Reihen sich häufig die Arbeiter auf den Leichenverbrennungsstätten rekrutieren. Aufnahme von Oktober 2003.
    5:36

    Vor drei Tagen schlief ich; im Schlaf sah ich, dass meine Mutter gestorben war. Meine Mutter ruft mich: „Komm her! Komm her!“ Ich gehe, weiter und immer weiter. Niemand ist da, aber ich spüre, dass meine Mutter mich ruft.

    Ich befinde mich tief im Dschungel. „Mutter! Mutter! Mutter!” rufe ich, aber sie ist nicht da. Dann sehe ich einen grossen Tiger. Eine grosse Schlange und einen Tiger. Die Schlange verfolgt mich, um mich zu beissen, und ich rufe: „Mutter! Mutter!“ Ich rufe, aber meine Mutter ist nicht da. Aber ein Teufel. Der Teufel hatte mich dorthin gelockt. Ein Tiger ist hinter mir her, eine Schlange ist hinter mir her, und ich laufe und laufe immer weiter.

    Ich sehe einen breiten Fluss, ich stehe an seinem Ufer. Wenn Menschen sterben, werden sie verbrannt. Ich war zu einem solchen Platz gekommen. Zahlreiche Geister waren da, um mich zu fangen. Ich keuche ausser Atem. Eine Frau steht da – gross, riesig, in einem weissen Sari. „Komm her! Komm her!” ruft sie. Aber ich fürchte mich und gehe nicht weiter. „Wer ist sie? Sie ist nicht meine Mutter!” Ich drehe mich um und sehe – keine Schlange ist da, kein Tiger ist da, nichts... Ich keuche ausser Atem.

    Schliesslich ging ich weg, weit weg. Ich gehe und sehe die Leute, die die Leichen verbrennen, die Dom… Ich war zum Platz der Dom gekommen. Sie fragen: „Warum atmest du so schwer? Wovor läufst du davon?“ – „Meine Mutter hat mich gerufen. Ich kam zu diesem Ort, doch ich sah nur einen Tiger und eine Schlange, die mich verfolgten, die mich beissen wollten und mich verfolgten – dann kam ich hierher. Ich flüchtete vor ihnen und kam hierher. Auf der Verbrennungsstätte stand eine grosse Frau in weissem Sari, die mich rief: ‚Komm! Komm!’ Aber ich lief von ihr davon und kam hierher, hierher zu eurem Platz.“

    Sie sagten: „Mutter, du hast nichts zu befürchten. Du musst dich vor nichts fürchten. Die Teufel waren hinter dir her. Setze dich zu uns. Kein Teufel, kein Geist wird sich hierherwagen. Hier ist ein Tempel, der Tempel der Mutter ist hier, die Göttin ist hier, setze dich zu uns. Ruhe dich aus, du hast nichts zu befürchten. Kein Tiger, keine Kröte, kein böser Geist, kein Gespenst – niemand wird dir hier etwas antun. Komm her, leg dich hin und schlafe.“

    Aber ich schlafe nicht, ich fürchte mich. Sie verbrennen Leichen, verbrennen Körper. Ich dachte: „Soll ich hier schlafen?“ – „Ja, Mutter – schlafe ruhig.“

    Sie verbrennen Leichen. Sadhus leben an dem Ort und die Dom. Ich fürchtete um mein Leben, ich hatte fürchterliche Angst, aber ich setzte mich zu ihnen hin, und nachdem ich mich gesetzt hatte, schlief ich ein. Ich schlief ein, und plötzlich merke ich, dass Wasser auf meine Augen tropfte. Mein Schlaf brach, und ich merkte, dass ich alleine war. Da war keine Schlange, keine Kröte, auch kein Tiger. Die grosse, Frau im Sari war nicht da, die Krematoriumsarbeiter waren nicht da, niemand war da.

    Da sagte ich zu mir selbst: „Ich habe geträumt, ich habe einen Traum gesehen.“ Als ich erwachte, war niemand da. Ich war in meinem Zimmer. Als es Morgen wurde, sah ich meinen Bruder und die anderen, die bei ihm waren. Ich sagte: „Ich habe geschlafen und einen Traum gesehen, ich habe so viele Dinge gesehen! Eine Schlange und dann einen Geist, der gekommen war, um mich zu fangen, und dann ging ich zu dem Platz, wo die Dom leben. Im Traum schlief ich ein. Das alles passierte letzte Nacht.“

    Vor drei Tagen sah ich diesen Traum. „Ist es ein guter oder ein schlechter Traum?“ Sie sagten: „Das waren die Teufel. Die Teufel liessen dich all diese Dinge sehen. Die Teufel sind böse, deshalb taten sie dir das an. Wasser von einem Baum muss auf deine Augen gefallen sein, und dein Schlaf brach. Aber es war nichts; du hast bloss in deinem Zimmer geschlafen.“ Fertig.

  • 38.
    zweimäulige schlange
    Naishas Träume, aufgenommen im März 2003.
    3:04

    Ich bin gestorben, ich liege in meinem Sarg, und meine jüngere Schwester kommt, um mich zu einem Fest abzuholen. Ich stehe auf und sage: „Gehen wir. Ich habe drei Kinder. Gehen wir, du und ich, gehen wir auf der Stelle.“ In ihrem Haus war das Festmahl angerichtet. Ich habe eine fünfjährige Tochter. Ihr habe ich eine goldene Kette mitgebracht. Und für meine Mutter – ich liebe meine Mutter sehr, ich liebe sie mehr als meinen Vater – auch eine für sie.

    Ich bat meine Mutter und Tochter, die Halsketten zu tragen. Die Kinder weinten: „Du gehst wieder fort! Du gehst wieder fort!” Ich sagte: „Nein, ich bin hier. Ich werde kommen, wann immer ihr mich ruft. Das bin ich euch schuldig!“

    Vor drei oder vier Tagen schlief ich. Früher sah ich viele Dinge in meinen Träumen: Eier, reife Guavafrüchte, grüne Chillies. Und vor drei oder vier Tagen sah ich eine Schlange. Eine Schlange mit zwei Mäulern. Die Schlange sprang mich an. Im Schlaf dachte ich: „Was ist das?” Ich schrie und packte die Schlange. Sie war nicht sehr lang. Da erwachte ich, ich schaute mich um und merkte, da war keine Schlange. Ich stand auf und fragte mich: „Was habe ich da gesehen?” In mir drin war ich ganz trocken. Ich hatte Angst. Ich war ganz alleine. Ich stand auf und trank Wasser. Ich stand auf und fragte: „Wie spät ist es?” Ich sah – es war halb drei. Halb drei oder drei Uhr früh ungefähr.

  • 39.
    streit
    Shakiras Traum, aufgenommen im Oktober 2003.
    1:38

    In meinem Traum sah ich meinen Mann. Ich war irgendwo weit weg. Vor mir sah ich einen Fluss. Ich sagte: „Was nützt es schon, wenn ich mit meinem Mann streite?” Ich ging weit fort, ich ging und ging und verirrte mich. Mein Mann kam von weit her zurück. Ich hatte meinen Mann wieder. Ich kam wieder zurück nach Hause. Danach – viel Streit. Mein Mann prügelte mich. Viel Streit. Danach – Trennung von meinem Mann. Nach der Trennung kam ich nach Kalkutta. In Kalkutta machte ich ein kleines Geschäft auf. Ich verliess meinen Mann. Nachdem ich ihn verlassen hatte, kam der Tag, als ich die Hand eines anderen Mannes ergriff. Ich nahm seine Hand, und zusammen mit meinen Kindern kehrte ich in die Gesellschaft zurück. Heute komme ich zurecht. Das war der Beginn meines Lebens.

  • 40.
    fall vom himmel
    Sara spricht über die Fährstelle am „Alten Ganges“ beim Kalighat-Tempel, wo Nachen je nach Wasserstand als Fähren oder als Bootsbrücke das Kalighat- und das gegenüberliegende Chetla-Viertel verbinden. Aufnahme von Oktober 2003.
    3:00

    Da war ein Regierungsbeamter. Er hatte eine Frau und ein Kind. Er war verletzt – deshalb wollte er sich umbringen. Er sagte: „Schaut – ich werde mich auf mein Motorrad setzen und hoch zum Himmel fahren.“

    In seinem Mund steckte eine Zigarette. Ich konnte sie deutlich erkennen. Und dann flog er hoch, auf seinem Motorrad. Die Kleidung, die er am Leibe trug, war blau. Hinten auf seinem Motorrad hatte er eine Tasche, eine Tasche aus Eisen.

    Ein grosser und gutaussehender Mann! Er fuhr hoch, und als er kopfunter am Himmel hing, sagte er: „Wenn ich sterbe, werden meine Frau und mein Kind viel Geld bekommen. Ich werde mich nun fallen lassen und sterben.” Er liess sich fallen, absichtlich. Nachdem er heruntergestürzt war, stand er auf und ging fort. Und im selben Moment wurde seine blaue Kleidung weiss! Ein grosser, gutaussehender Mann. Und er war kein bisschen verletzt. Jemand anders stützte ihn und führte ihn fort. Sein Motorrad war nirgends zu sehen.

    Als ich aus dem Haus kam, hatte sich eine Menge versammelt, und sie sagten: „Er fiel herunter, und ihm ist nichts passiert!” Mit meinen eigenen Augen habe ich ganz deutlich gesehen, wie er fiel! Zu seiner Frau hatte er gesagt: „Ich werde hoch in den Himmel fliegen und mich dann herabstürzen und sterben!”

    Aber er starb nicht! Die Leute halfen ihm auf und führten ihn fort. Ich war erschrocken, und mein Herz begann zu pochen. Zu Hause waren meine Mutter, meine Schwägerin und andere Verwandte. Ich erzählte ihnen, was ich gesehen hatte. Sie sagten: „Oh, diese Leute verletzen sich gewöhnlich nicht, schon weil sie eine andere Art von Kleidung tragen. Sie verletzen sich nicht so schnell.”

  • 41.
    fels und eis
    Naishas Traum von einem vereisten Geliebten. Aufnahme von März 2003.
    2:54

    Nachdem ich hierhergekommen war, gab es einen Mann, einen Soldaten, der mich sehr mochte. Er besuchte mich regelmässig. Er ging nach Darjeeling. Sechs Monate lang konnte er mich nicht mehr besuchen. Ich sah Fels. Dort oben – nur Felsen. Er war dort stationiert, zwischen den Felsen. Und ich sah Eis – kaltes Eis. In dem Eis kann man vieles finden. Die Menschen dort oben sagen, wenn einer stirbt, dann wird er dort hingebracht. Ich sah einen Mann in diesem Eis; er war ganz hart. Er schlief, ganz steif und hart. Eine Frau besuchte mich und sagte: „Erinnerst du dich an den Mann, der dich so liebte? Er bittet dich, zu ihm zu kommen.“ – „Warum sollte ich zu ihm gehen? Er besuchte mich immer nur hier. Ich werde hier mit ihm sprechen. Warum sollte ich ihn zu Hause besuchen?“

    Sie sagte: „Nein! Du weisst doch, wie sehr er dich liebt. Er fragt nach dir.“ – „Wann?” – „Er kam vor einer Woche. Er ist unruhig und fragt nach dir. Er möchte dich sehen.“

    Sie log, und ich ging mit ihr mit. Als ich dort ankam, fand ich eine Leiche, einen leblosen Körper. Ich dachte: „Vielleicht ist es sein Vater oder seine Mutter.“ Ich musste mich setzen. Ich schaute auf und sah, dass das Gesicht mich betrachtete. Es war das Gesicht des Mannes, der mich liebte. Dann sagte seine Mutter: „Frau – er hat dich so sehr geliebt. Deshalb brachte ich dich hierher. Die Wahrheit konnte ich dir nicht sagen, deshalb brachte ich dich mit einer Lüge her. Wenn er dir irgendetwas schuldig blieb, vergieb ihm!“ Ich weinte, und einige Leute hielten mich fest. Ich erklärte, dass ich ihm so weit vergeben wollte, wie seine Liebe reichte. Dann wurde er begraben. Das Begräbnis war vorüber, es wurde dunkel, ich ging weg, ich ging nach Hause. Das ist alles.

  • 42.
    abtreibung
    Träume und Erinnerungen von Koumadi, aufgenommen im Oktober 2003.
    12:31

    Ich sah einen Traum. Ich sah, wie mich zwei oder drei Leute verfolgten, aber ich konnte nicht laufen. Ich versuchte, wegzulaufen und konnte nicht laufen. Sie wollten mich zu fangen, zwei Männer. Sie hielten mich fest. Ich fragte: „Warum haltet ihr mich fest?“ Aber sie liessen mich nicht gehen und hielten mich fest.

    Einmal sah ich, dass mein Vater gestorben war. Er kam zu mir und sagte: „Gib mir etwas Wasser, meine Tochter. Gib mir Wasser, ich möchte trinken.“ Ich sagte: „Du bist gestorben! Wie kann ich dir Wasser geben?“ Mein Vater sagt: „Nein, ich bin nicht gestorben, ich bin immer noch lebendig! Gib mir Wasser – ich möchte trinken!“ Ich gab ihm aber kein Wasser und auch sonst nichts. Er wurde böse. Ich sah ihn dastehen. Und ich sah, wie meine Mutter Gemüsetaschen röstete. Mein Vater ging zu ihr hin und ass von dem Gebäck. Plötzlich war ich wieder zu Hause. Mein Schlaf war gebrochen, und ich sah weder Vater noch Mutter, niemand war da.

    Und dann die beiden Kinder – ich habe sie im Dorf zurückgelassen. Auch sie sehe ich im Traum. Wie sie mich besuchen, wie sie weinen. So sehe ich auch meinen Mann. Er hat ein anderes Mädchen geheiratet. Mit ihr hat er viel Spass. Mit mir stritt er sich immer und verprügelte mich. Das alles sehe ich in meinen Träumen.

    Einmal sah ich, wie mich zwei Schlangen verfolgten. Ich verstand nicht: zwei Schlangen – und wie wütend sie mich jagten! Am Morgen sagte ich: „Mutter, zwei Schlangen haben mich verfolgt!“ Meine Mutter sagte: „Du hast das Kind abgetrieben. Jetzt verfolgt dich die Frucht.“ Im Traum sah ich, wie ich von Schlangen verfolgt wurde. Ich fragte meine Mutter: „Mutter, warum verfolgten mich diese Schlangen?“ – „Du wolltest das Kind nicht, deshalb verfolgen dich die Schlangen.“

    Geheiratet habe ich in Murshidabad. Mein Mann trank viel, er misshandelte mich. Er stritt sich mit mir, und dann heiratete er ein anderes Mädchen. Er stritt ständig mit mir, und dann jagte er mich fort: „Nimm die Kinder und verschwinde!“ Er trieb mich aus dem Haus, und ich kehrte ins Haus meines Vaters zurück. Diese Dinge sehe ich immer noch in meinen Träumen. Ich sehe die andere Frau und meine Kinder. Meine Kinder leben nicht bei mir. Vor meinen Augen vergnügt er sich mit seiner anderen Frau, und wenn er mich sieht, schlägt er mich. Das sind die Dinge, die ich in meinen Träumen sehe.

    Jede Nacht, wenn ich einschlafe, sehe ich Träume. Und einmal sah ich, wie mich ein Geist packen wollte. Er sass auf meiner Brust. Ich versuchte mit aller Kraft, mich umzudrehen. Aber er liess es nicht zu und hockte fest auf meiner Brust. Ich versuchte, jemanden zu rufen. Aber die Stimme blieb in mir drin; niemand konnte sie hören. Ich rief meine ältere Schwester: „Schwester! Schwester!“ Aber mein Rufen war nicht zu hören. In mir drin schrie ich laut, aber ausserhalb meines Körpers war nichts zu hören. Meine Schwester schlief gleich neben mir und konnte mich nicht hören. Der Dämon hielt sich fest an meiner Brust und erlaubte mir nicht, mich umzudrehen. Langsam drehte ich mich zur Seite, und er verschwand. Ich weiss nicht, was das war. Ich sah es in einem Traum.

    Später heiratete ich wieder. Nachdem mich mein Mann verlassen hatte, heiratete mich sein Freund. Nachdem er mich geheiratet hatte, der Freund meines Mannes, nach der Hochzeit brachte er mich in sein Haus. Er schenkte mir viel Zuneigung. Fast zwei Monate lang lebte ich in Frieden. Später – nur Streit und was für ein Streit! Er verprügelte mich, dann wieder beschimpfte er mich. Er hatte bereits eine Frau. Auch diese Frau stritt sich mit mir. Die andere Frau hatte eine Tochter in meinem Alter. Sie verprügelten und beschimpften mich.

    Wie lange kann man soviel Streit aushalten? Ich schluckte Gift, vier Portionen. Ich nahm das Gift auf nüchternen Magen. Mein Mann war zum Wochenmarkt gegangen. Er kam zurück. Ich hatte das Gift geschluckt und sass draussen auf der Liege. Er fragte: „Was sitzt du hier herum?!“ – „Ich sitze hier. Ich fühle mich nicht gut.“ Er stellte sein Fahrrad auf den Ständer und gab mir eine Ohrfeige – bamm! Er packte meinen Haarknoten und zerrte mich herum. „Lass mich los! Ich habe Gift geschluckt!“ Da zog er mich ins Haus. Er fütterte mich mit Eiern, Tamarinde und anderen Dingen. Ich ass, ich lag bloss da, und man brachte mich ins Krankenhaus.

    Mein Mann kam nicht ins Krankenhaus. Man brachte mich ins Krankenhaus von Lalbagh und steckte eine Infusion mit Salzlösung. Mit einem Schlauch nahmen sie das Gift heraus. Am Morgen dann kam die Schwester. Ich fragte: „Was ist passiert? Wer brachte mich in dieses Krankenhaus?“ – „Du hast Gift genommen! Gestern brachten sie dich hierher. Was hat man nicht alles für dich getan! Salzlösung...“ Meine Glieder waren geschwollen. „Nehmen Sie das bitte ab, ich muss auf die Toilette.“ Sie sagte: „Nein, ich gebe dir eine Bettpfanne – pinkle hier im Bett.“ Ich sagte: „Nein. Ich will auf die Toilette.“ Ich versuchte, die Fusion abzunehmen, und Blut spritzte aus meinem Arm, eine Menge Blut. Die Schwester sagte: „Hast du keine Eltern? Was hast du da gemacht! All das Blut!“

    Die Schwester schimpfte mit mir und nahm die Infusion ab. Dann brachte sie mich zur Toilette und wieder zurück aufs Zimmer. Dort sah ich: mein Mann, mein Schwager, meine Schwiegereltern – alle waren sie ins Krankenhaus gekommen. Und zwei Polizisten fragten mich: „Frau! Sag uns, warum hast du Gift genommen?“ Die Gesichter meines Mannes und seiner Verwandten wurden blass. Vor Angst bekamen sie ganz blasse Gesichter. „Was wird meine Frau sagen?“ Und ich sagte: „Ich nahm das Gift freiwillig. Niemand hat mich schlecht behandelt.“ Nachdem ich das gesagt hatte, lächelten alle Gesichter: Schwager, Schwiegereltern...

    Dann sagten die Polizisten: „Du hast deinen Schwager, deine Schwiegereltern und deinen Mann gerettet. Ihretwegen hast du das Gift genommen. Niemand schluckt Gift ohne guten Grund.“ – „Ich habe das Gift nicht ihretwegen genommen. Es war meine eigene Entscheidung. Sie alle lieben mich sehr.“

    So sprach ich zu den Polizisten und zum Arzt. Dann gingen mein Mann, meine Schwiegermutter und mein Schwager in ihr Dorf zurück und erzählten überall: „Unsere Schwiegertochter ist sehr gut. Sie hat uns keine Schwierigkeiten gemacht.“ Eine Weile war mein Mann gut zu mir. Dann lief er mit einem Mädchen davon, in das er sich verliebt hatte. Er lebt heute in Bangladesh. Er nahm ein älteres Mädchen und lief fort nach Bangladesh. Es heisst, er sei immer noch dort. Und ich kam hier auf den Strich. Aber meine Kinder leben immer noch bei der Familie meines Mannes. Manchmal gehe ich und besuche sie. Ich besuche sie und komme hierher zurück. Die Kinder leben dort. Wenn sie Kleider brauchen, kaufe ich ihnen Kleider.

    Zu Hause lebe ich mit meiner Mutter, und ich habe einen älteren Bruder. Mein Bruder hat eine Frau, sie haben zwei Kinder. Mein jüngerer Bruder gerät immer wieder in Schwierigkeiten. Er ist nicht schlecht zu mir, aber er macht Schwierigkeiten. Er arbeitet nichts. Er bittet jemanden um hundert Rupien, und wenn er sie hat, kann er sie nicht zurückbezahlen und kommt wieder nach Hause.

    Einmal sah ich einen Traum: Ich komme vom Haus meiner Schwiegereltern; es gibt dort eine Sägerei. Ich sehe meinen Bruder, meinen Bruder und seinen Freund. Die beiden waren gefesselt. Ich fragte sie: „Was ist passiert? Warum seid ihr gefesselt?“ – „Ich glaube, wir haben etwas gestohlen. Wir haben hier etwas gestohlen, und jetzt halten sie uns fest.“ Was sollte ich tun? Ich nahm ihnen Fesseln ab. Die Wache kam und sagte: „Mädchen! Warum nimmst du ihnen die Fesseln ab?“ Ich befreite sie und sagte: „Lauft! Lauft!“ Mein Bruder und sein Freund – wie schnell sie rannten! Dann packte man mich. „Wir werden dich nicht laufen lassen. Du hast deine Brüder befreit.“ Ich weinte jämmerlich. Ich weinte und weinte, und da endete mein Traum. Ich schaute mich um – wo bin ich? Was war das? Ich lag in meinem Bett.

  • 43.
    vergewaltigung
    Sara erzählt Träume von Schmerz und Gewalt. Aufgenommen im Oktober 2003.
    5:44

    Ich schlafe. Im Traum war ich weit weg von Zuhause. Dort baute ich schöne Häuser, wunderschöne Häuser. Als die Häuser fertig waren, lebte ich dort. Ich war nicht mehr in meinem Dorf, jemand hatte mich dorthin gebracht. Dort baute er ein Haus mit vielen Zimmern, und dort lebte ich. Dann merkte ich, wie ich an Zuhause dachte. Dort waren meine Mutter, mein Vater, meine Brüder und Schwestern – alle waren dort. Nach diesem Gedanken brach mein Schlaf und ich sah, dass da gar niemand war. Ich war hier. „Hier“ bedeutet hier, in diesem Zimmer. Dann sah ich einen anderen Traum: Jemand führte mich weit fort in einen Wald. In dem Wald band er mich an einen Baum. Nachdem er mich gefesselt hatte, fragte er: „Was arbeitest du? Was ist dein Beruf? Gib mir alles, was du verdient hast!“

    Der Junge, den ich geliebt hatte – er lässt mich nicht in Frieden. Er entführt mich, er fesselt mich, er will mir alles nehmen, er will mich töten. Ich sagte: „Nimm alles, was ich habe, aber töte mich nicht!“ Dann brach mein Traum. Ich erwachte und sah, dass ich in meinem Zimmer lag.

    Ich leide immer unter diesem Kummer und sehe dann im Traum, wie ich zwei oder drei Kinder habe. Im Traum sehe ich, wie ich mit meinem Mädchen spiele, wie ich es stille. Ich trage es mit mir herum. Wenn dann mein Schlaf bricht, sehe ich niemanden. Und manchmal – warum wohl? – sehe ich im Traum Früchte: Mangos, Litschies, Jackfruit – ich sehe alle möglichen Früchte. Ich sehe Schlangen, ich sehe Kröten, und wenn ich jemanden frage: „Warum sehe ich diesen Traum?“ sagen sie: „Der Traum handelt von Schwangerschaft. Bevor man ein Kind bekommt, sieht man solche Träume.“

    Im Traum sehe ich, wie mich jemand fortführt, weit fort, und mich dort zurücklässt. Im Traum sehe ich, wie mich jemand wegführt, sehr weit. Er will mich erschlagen oder ermorden oder erstechen. Manchmal werde ich von Zuhause entführt. Ich sehe viele solcher Träume. Ich liege da, und jemand ruft mich: „Sara, komm! Sara, komm!“ Ich gehe und gehe, ich gehe immer weiter. Dann bricht plötzlich mein Schlaf und ich sehe, da ist überhaupt niemand, niemand ist da. Manchmal sorge ich mich: Warum sehe ich solche Träume? Ich verstehe sie nicht.

    Einmal schlief ich, und plötzlich rief mich meine Mutter. Meine Mutter rief nach mir, mein Schlaf brach, und ich sah, dass ich alleine im Zimmer war. Manchmal sehe ich im Traum meinen Vater, oder ich sehe meine Mutter im Traum, im Traum sehe ich meine Eltern, ich sehe meine Tochter. Im Traum sehe ich viele Menschen. Manchmal meine ich, ich sei tot. Dann erwache ich eine oder zwei Stunden später und ich sehe, niemand ist da. Ich sehe viele Früchte.

    Manchmal sehe ich, wie mich jemand entführt, wie jemand kommt, um mich zu töten. Solche Träume sehe ich. Solche Träume sehe ich die ganze Zeit. Jemand kommt und verlangt: „Gib mir alles, was du hast!“ Solche Träume sehe ich. Ich habe viel zu erzählen über mein Leben; seit ich klein war, hatte ich viele Schwierigkeiten. Da war dieser Mann, der mich hierherbrachte, der mich hier zurückliess in diesem schlechten Beruf. Und manchmal sehe ich schmutzige Träume. Jemand kommt und vergeht sich an mir, und betrunken hat er seinen Spass. Solche Träume sehe ich. Und einmal sah ich, wie mich jemand entführte, und vier oder fünf Jungen vergewaltigten mich. Einmal schlief ich tief, ein Mann rief mich und führte mich in einen Wald. Dort vergewaltigten mich fünf oder sechs Jungen. Mit Messern und anderen Waffen verletzten und verstümmelten sie mich.

    Das ist alles, fertig.

  • 44.
    moerderinnen
    Freundinnen versuchen, Sara in ihrem Traum zu ermorden. Aufgenommen im Oktober 2003.
    4:16

    Gestern, vor drei Tagen, vorgestern ging ich nach Hause. Ich schlief und sah in einem Traum, dass zwei oder drei Freundinnen gekommen waren. Ich wusste nicht, warum sie mich so hassten! Sie waren voller Hass. Meine Freundinnen riefen mich, sie sagten: „Lass uns ausgehen!“

    Sie waren gekommen, um mich zu töten. In einem Wald hatten sie Messer bereitgelegt und kamen dann zu meinem Haus; mit den Messern wollten sie mich umbringen. Ich wusste von nichts. Sie kamen und sagten: „Sara, komm!“

    Ich ging mit und sah ein offenes Feld, dahinter war Wald. Dort hatten sie die Messer verborgen, mit denen sie mich töten wollten. Sie befahlen mir, mich zu setzen: „Setz dich hin!“ Ich fragte: „Warum hasst ihr mich so? Warum dieser Hass? Warum habt ihr mich hierhergebracht und warum wollt ihr mich töten?“ – „Das wirst du bald sehen.“ – „Was habt ihr mit mir vor? Wir haben nichts miteinander zu schaffen! Was ihr mir zu sagen habt, könnt ihr mir auch zu Hause sagen!“ Sie sagten: „Wir brauchen dich hier.“

    Dann sah ich, dass sich ein Stück weiter weg zwei oder drei Leute mit Messern versteckt hatten. Ich wusste, die wollten mich töten. „Was habe ich euch zuleide getan?“ Ich sagte: „Wartet! Ich muss pinkeln.“ – „Wir lassen dich nicht gehen.” Sie wollten mich töten, sie wollten mich ermorden. „Ich muss pinkeln!“ Sie sagten: „Jemand wird mit dir mitgehen.“ – „Gehen wir.“ Ich ging ins Gebüsch, und unter diesem Vorwand konnte ich fliehen. Ich lief und lief von Gebüsch zu Gebüsch. Sie liefen hinter mir her, sie suchten mich, suchten überall: „Wo ist sie verschwunden? Wo ist sie verschwunden?“

    Ich lief und erreichte schliesslich die Strasse; vor mir sah ich zwei oder drei Leute. Ich sagte: „Sie holten mich von Zuhause weg, um mich umzubringen. Ich weiss nicht, warum sie mich hassen, aber sie sind entschlossen, mich zu ermorden!“

    Die Leute sagten: „Wir haben verstanden. Warte hier.“ Die Leute schickten mich weiter, sie sagten: „Geh jetzt! Wenn dich jemand verfolgt, werden wir ihn sehen.“

    Ich lief und lief und entkam. Schliesslich war ich wieder Zuhause und erzählte allen, was passiert war. Ich sagte: „Sie führten mich fort, um mich umzubringen. Ich weiss nicht, warum sie mich hassen.“ – „Gut. Morgen früh werden wir sie fragen.“

    Aber die anderen fürchteten sich und flohen früh am Morgen. Danach schlief ich in meinem Zimmer und hörte früh morgens das Krächzen der Krähen. Die Krähen krächzten, mein Schlaf brach, und ich sah, dass da keiner war und dass ich in meinem Zimmer schlief. Diesen Traum habe ich gesehen.

  • 45.
    bootmannslied
    Bhatiali-Lied, d. h. ein Lied der flussabwärts treibenden Bootsleute im Unterlauf des Hugli und des Brahmaputra; „bhata” bedeutet Ebbe oder Unterlauf. Gesungen wurde dieses Lied hier von Sara im November 2005.
    0:39

    In Kummer verging mein Leben, / kein Glück steht mir auf die Stirn geschrieben. / Nur Kummer habe ich seit dem Tag meiner Geburt; / meine Stirn ist schwarz verbrannt; / ich bin diese Art von Mensch.

  • 46.
    fährmänner
    Sara spricht über die Fährstelle am Tolly-Kanal, dem „Alten Ganges“ (Adi Ganga), beim alten Kali-Tempel, wo hölzerne Nachen je nach Wasserstand als Fähren oder als Bootsbrücke das Kalighat- und das gegenüberliegende Chetla-Viertel verbinden. Aufnahme von Oktober 2003.
    4:26

    Wenn es Wasser gibt, werden die Boote von den Schiffern hin und her gefahren. Wenn es trocken ist, werden die Boote festgebunden. Betrunken liegt einer in seinem Boot. Alle Überreste der Opfer und Rituale werden in den Ganges geworfen. Die Menschen kommen von weit her, um ihre Rituale zu vollziehen. Manche spenden Blumen im Tempel, andere geben Geld. Sie werfen alles in den Ganges. Es fliesst viel Wasser im Ganges. Wenn die Flut Babughat erreicht, strömt viel Wasser. Und wenn das Wasser hochsteht, staken die Fischer ihre Boote hin und her. Wenn die Flut vorüber ist, binden sie die Boote in einer Reihe fest. Dann gehen die Leute selbst auf die andere Seite.

    Das Gangeswasser ist nicht gut. Das Wasser besteht nur aus Abwässern und Dreck. Aber wenn die Flut Babughat erreicht, kommt ein bisschen frisches Wasser. Wenn kein Wasser kommt – das Wasser reicht nicht lange, eine halbe Stunde oder eine Viertelstunde lang bleibt es – dann geht das Wasser zurück. Der Wasserspiegel sinkt. Wenn es stark regnet, gibt es viel Wasser, und das Wasser steht bis in die Häuser. Dann geht das Wasser zurück.

    Das Gangeswasser ist voller Abwässer. Schmutziges Wasser. Was soll’s? In diesem Wasser baden Leute, sie vollziehen ihre Rituale – mit diesem Wasser waschen sie ihre Dinge. Die Blumen aus dem Tempel, Müll – alles wird in den Ganges geworfen. Natürlich werfen sie keine toten Körper ins Wasser. Sie werfen ihren Müll hinein, und von weither kommen Menschen, um ihre Rituale zu vollziehen. Viele Kasten kommen, aus Bihar… und hier, mit diesem Wasser, verrichten sie ihre Rituale. Wie schmutzig das Wasser auch sein mag – sie verwenden dieses Wasser. Die Leute glauben, Gangeswasser sei heilig. Ihren Gefühlen entsprechend tun die Menschen all diese Dinge. Und trotz allem nehmen so viele von dem Wasser mit nach Hause und sagen: „Das ist Gangeswasser – es ist heilig.“ Aber das ist nicht das wahre Gangeswasser. Das wirkliche Wasser kommt und geht. Im schmutzigen Wasser baden sie, in diesem schmutzigen Wasser tun sie alles.

    Wenn die Flut nach Babughat kommt, fahren die Schiffer ihre Boote. Man muss 25 Paise bezahlen, um auf die andere Seite zu kommen. Nun haben sie sie festgebunden. Die Männer, die die Boote führen, trinken Schnaps. Wenn sie die Boote festbinden, haben sie frei. Wenn das Wasser kommt, fahren sie ihre Boote, und wenn kein Wasser da ist, ruhen sie sich aus.

  • 47.
    krähenstimmen
    Die allgegenwärtigen Krähen Kalkuttas, aufgenommen im April 2004.
    7:39
  • 48.
    krähen
    Sara über die schlechten und die guten Eigenschaften der in Kalkutta allgegenwärtigen Krähen. Aufnahme von Oktober 2003.
    3:23

    Krähen sind schlecht. Die schlechtesten Tiere von allen. Sie fressen alles. Wenn Kühe sterben, werden sie von Hunden gefressen, wenn Vögel sterben, werden sie von Hunden gefressen und auch von den Krähen. Die fressen alles. Aber wenn eine Krähe stirbt, rührt kein Hund sie an. Niemand frisst sie. Krähen sind schmutzig, sehr sehr schmutzig. Wenn es heiss wird, trocknen sie aus. Und wenn der Winter kommt, werden sie schön. Wenn es regnet, sind sie glücklich. Wenn es kalt wird, sind sie glücklich. Wenn es regnet, sind sie glücklich. Und dann werden sie schön.

    Das Leben der Menschen wird gut, wenn die Regenzeit kommt und wenn es Winter wird. Für die Krähen ist es genauso. Sie leiden unter der Hitze, ihre Federn fallen aus, irgendwie trocknen sie aus. Aber wenn es kalt ist, bekommen sie einen schönen Glanz.

    Und was fressen sie? Sie fressen die Kadaver von Kühen, Kadaver von Ziegen, Kadaver von Hunden. Sie fressen tote Menschen, sie fressen tote Schlangen; alles was stirbt, wird von den Krähen gefressen. Aber wenn eine Krähe stirbt – ihr Fleisch frisst keiner. Kein anderes Tier. Wenn eine Krähe stirbt, wird ihr Fleisch immer trockener und bleibt liegen. Es wird nicht einmal von den Ameisen gefressen. Es ist ekelhaft, bitter, voller Gas! Nichts und niemand frisst Krähenfleisch. Die Krähe frisst das Fleisch von jedem anderen Geschöpf. Die Krähe ist das schmutzigste Tier von allen.

    Noch etwas. Etwas Gutes haben die Krähen: Vielleicht kommt jemand zu Besuch. Die Krähe kündigt den Besuch schon vorher an. Wenn die Krähe “kai, kai, kai, kai” ruft, bedeutet das, dass jemand kommt. Das ist gut.

    Wenn Krähen miteinander sprechen, kommen sie alle an einem Platz zusammen und unterhalten sich. Wir wissen nicht, wer ihr Anführer ist. Alle Krähen sind gekommen und sitzen beieinander, und ganz zum Schluss kommt eine grosse Krähe. Das ist ihr Anführer. Alle Krähen sitzen beieinander und unterhalten sich nach Herzenslust in ihrer eigenen Sprache; Gott weiss, worüber sie reden. Und dann, wenn der Anführer fortfliegt, fliegen auch alle anderen Krähen fort.

    Es gibt viele Menschen, die die Krähen füttern. Sie geben ihnen gekochten Reis, Kekse, Brot. Warum füttern sie sie? Weil wenn etwas geschieht, die Krähen als erste darüber berichten. Sie sitzen auf dem Dach, sie sitzen auf dem Türflügel und sagen “kai kai kai kai!” Die Menschen wissen, dass jemand zu Besuch kommt. Sie erfahren es von den Krähen. So gesehen sind Krähen gut. Einerseits – aber andererseits sind Krähen schlecht. Niemand isst ihr Fleisch – es ist das übelste von allen. Die Krähe frisst jedes Fleisch. Aber nichts und niemand frisst das Fleisch der Krähe. Es ist bitter und ekelhaft.

  • 49.
    eine krähe
    Diese Krähe sprach eine andere Sprache. Aufgenommen im Oktober 2003.
    8:16
  • 50.
    sturm
    Naisha erinnert sich an einen dramatischen Traum mit einer doppelmäuligen, feuerspeienden Schlange. Aufgenommen im Oktober 2003.
    1:50

    Ich schlafe. Es stürmt und regnet stark. Meine Kleider hängen draussen, aber der Sturm bläst sie fort. Mein Haus war eine Lehmhütte. Ich schlief in dieser Lehmhütte.

    Ich kann diesen schlimmen Sturm nicht beschreiben. Ich konnte niemanden sehen. Ich stand auf und fragte mich: „Was ist bloss los – so viel Regen und Wind!” Und jemand sagte: „Ein Sturm!”

    Ich ging hinaus und schaute nach meinen Kleidern. Sie waren nicht mehr da. Da sagte ich: „Ich habe geschlafen. Wie kommt es, dass ich nichts von all dem Wind und Regen bemerkt habe?” Ich stand auf, und überall um mich herum war Wasser. Die Schlaglöcher hatten sich in Pfützen verwandelt.

    Ich stand auf und schaute hoch zum Himmel. Ich sah eine riesige Schlange im Himmel, mit weit offenem Maul, aus dem die Flammen schlugen.

    Dann begann der Sturm von Neuem und wehte alles fort. Sie hatten es alle gesehen – nur ich nicht?! Nachdem das Feuer aus dem Maul der Schlange schlug, setzte der Sturm wieder ein. Mein Herz begann zu klopfen: bumbumm, bumbumm… Das ist ein Traum, an den ich mich erinnere.

  • 51.
    schlangen
    Sara spricht über die Furcht vor Schlangen und über die Furcht der Schlangen vor Menschen. Aufgenommen im Oktober 2003.
    5:04

    Jeder fürchtet sich, wenn er eine Schlange sieht. Auch die Schlange fürchtet sich, wenn sie einen Menschen sieht. Warum fürchtet sich die Schlange vor dem Menschen? Sie weiss: „Wenn ich mich zeige, tötet er mich.“ Der Mensch denkt: „Wenn sie mich sieht, beisst sie mich vielleicht.“ Aber kleine Schlangen, oder Schlangen, die im Wasser leben, und auch andere Schlangen sind gut. Sie haben kein Gift.

    Gefährlich sind die schwarzen Vipern und die Kobras. Wenn diese Schlangen einen Menschen beissen, in die Hand beissen, in ein Körperglied beissen, muss man die Stelle abbinden, damit das Gift den Körper nicht packt. Wenn das Gift den Körper packt, stirbt der Mensch. Wenn die schwarze Viper oder die Kobra beisst, stirbt die Person. Wenn sie in den Fuss beisst, muss der Fuss abgebunden werden. Wenn man das nicht tut, packt das Gift den Körper und man stirbt. Aber die Schlange beisst nicht jeden. Sie beisst nur den, in dessen Schicksal es so geschrieben steht.

    Tiger – Sicht / Schlange – Schrift

    Wenn der Tiger einen Menschen sieht, greift er an. Die Schlange aber beisst nie, wenn es im Schicksal eines Menschen nicht so geschrieben steht. Wenn in seinem Schicksal geschrieben steht, dass er von einer Schlange gebissen wird, wird ihn eine Schlange erwischen, ganz egal, wo er sich aufhält.

    Aber wenn es so nicht in seinem Schicksal steht, kommt die Schlange vielleicht ins Haus, legt sich vielleicht neben das Bett, aber sie beisst nicht. Es ist nicht richtig, jede Schlange einfach zu töten. Wenn man nach ihr schlägt, stösst sie zurück. Nur wenn sie einen verletzt, darf man sie töten. Wenn sie dir nichts angetan hat und du sie trotzdem zu töten versuchst, dann musst du sterben.

    Das Gift einer Schlange ist sehr gefährlich. Wenn sie beisst und sich ihr Gift im Körper ausbreitet, überlebt der Betreffende nicht. Man muss sofort den Schamanen rufen, der den Körper mit Laubbüscheln schlägt. Das Gift muss neutralisiert werden. Wenn das Gift innerhalb einer halben Stunde neutralisiert werden kann, überlebt die Person. Wenn das Gift ihren Körper packt, stirbt sie.

    Wenn die schwarze Viper oder Kobra beisst… noch eine andere Art – Laudanka – diese Schlange kann fliegen. Sie lebt auf Platanen, im Laub der Bäume. Sie ist ganz dünn, schlank, grün. Sie beisst nur in die Stirn. Sie kommt durch die Luft geflogen und stösst zu. In dem Moment, wo sie in die Stirne beisst, stirbt der Mensch. Diese Schlange sieht man selten, sehr sehr selten. Sie fliegt herum wie ein Vogel. Sie lebt in den Kürbisreben und auf Platanen. Sie sitzt in den Kürbisreben, und niemand kann sie sehen.

    Die grosse Python und andere Arten von Schlangen beissen keine Menschen. Wasserschlangen zum Beispiel – die essen nur Fisch. Sie beissen keine Menschen, sie sind gut. Schwarze Viper und Kobra sind wirklich gefährlich. Aber sie beissen nur den, in dessen Schicksal es geschrieben steht. Andere Menschen beissen sie nicht. Aber jeder, der eine Schlange sieht, läuft davon und fürchtet: „Wenn sie mich sieht, beisst sie mich!“ Auch die Schlangen fürchten sich und sagen: „Lasst uns fliehen! Lasst uns fliehen!“

    Wenn die Menschen eine Schlange sehen, nehmen sie Stöcke und Buschmesser, sie hacken sie in Stücke und töten sie. Und die Schlange denkt: „Ich will sie nicht beissen. Warum wollen sie mich töten?“ und flieht um ihr Leben.

    Man sollte Schlangen nicht gedankenlos töten. Aber die Menschen verstehen das nicht. Sobald sie eine Schlange sehen, töten sie sie. „Sie ist böse, sie ist ein Feind. Sie beisst Menschen und frisst sie.“ Sobald sie eine Schlange sehen, töten sie sie.

  • 52.
    schlangenträume
    Sara spricht über das häufige Erscheinen von Schlangen in Träumen. Aufgenommen im Oktober 2003.
    1:20

    Vielleicht sieht man im Traum eine Schlange. Man schläft, und Schlangen kommen von überall her. Ich bin tief in einem Wald – überall Schlangen. Schlangen zu sehen, im Traum Schlange zu sehen ist sehr gut! Aber manche sagen auch, im Traum Schlangen zu sehen sei schlecht. Warum sehen Leute Schlangen in ihren Träumen? Ich weiss es nicht.

    Viele Leute sehen Schlangen in ihren Träumen. Eine Schlange, einen Baum voller Früchte, man geht irgendwohin und sieht ein Fest, einen Markt. Schlangen, die von überall herankommen, und man sitzt da von Schlangen umringt: „Die Schlangen sind gekommen, um mich zu beissen, und ich spiele mit ihnen.“

    Die Leute sagen, eine Schlange zu sehen bedeute, ein Kind zu empfangen. Ich weiss nicht, ob der Anblick von Schlangen im Traum gut oder schlecht ist. Du solltest jemanden fragen. Aber so viel steht fest: In Träumen sieht man viele Schlangen.

  • 53.
    blaskapelle1
    Eine Brassband in Kalkuttas Mahatma Gandhi Road, aufgenommen am 2. November 1996.
    3:22
  • 54.
    strassenhändler1
    Strassenhändler an der Chowringhee Road, aufgenommen am 12. Juni 1997.
    11:15
  • 55.
    busunfall
    Sara spricht über Kali im westbengalischen Murshidabad-Distrikt, die bis heute, in Form tödlicher Verkehrsunfälle, ihr jährliches Menschenopfer fordert. Aufnahme von November 2005.
    4:25

    Bevor man Murshidabad erreicht, kommt man an Kalis Haus vorbei. Jahr für Jahr passiert dort etwas, stirbt dort jemand. Sie nimmt menschliche Gestalt an, vielleicht die eines Mädchens, sie zeigt sich, und dann gibt es einen Unfall. Wenn Kali Blut getrunken hat, beruhigt sie sich.

    Vor zwei Monaten passierte ein von Bokultala herkommender Bus Ghorimatala, Kalis Wohnort. Dort wächst ein Banyanbaum, und dort war der Tempel errichtet worden.

    Ein Mädchen, vielleicht Kali, war dort zu Fuss unterwegs, und um ihr auszuweichen, verursachte der Bus einen Unfall. 15 oder 16 Leute waren betroffen; fünf brachte man ins Krankenhaus, 15 waren tot. Bei einigen hatte der Bus die Köpfe überrollt, und ihr Gehirn floss aus; bei einigen war er über den Rumpf gerollt, und ihre Herzen fielen heraus, bei einigen war er über die Gesichter gefahren, und die Gesichter waren zerquetscht – auf diese Weise kamen 15 Leute zu Tode.

    Fünf waren im Krankenhaus, 15 waren tot; man brachte sie zur Polizeistation und bedeckte sie dort mit Plastik. Denen, die eine Adresse bei sich hatten, schrieb man die Adresse auf die Brust, sodass ihre Verwandten den Leichnam mitnehmen konnten. Fünf Körper hatten keine Adresse; bei ihnen fand man keine Briefe, keine Papiere, nichts. Über fünf Leichen gab es keine Information; keine Information darüber, wo sie wohnten, wo ihre Familien lebten, woher sie kamen und wozu sie unterwegs waren. Diejenigen, die im Fernsehen von dem Unfall erfuhren, kamen, um die Leichen abzuholen. Von fünf Leichen wusste man nicht, woher sie kamen. Nach dem Postmortem wurden sie im Ganges bestattet.

    So etwas passiert jedes Jahr bei dem Kalitempel – ein Unfall geschieht. Ein Busunfall, ein Motorradunfall – egal was, mindestens eine Person kommt ums Leben. Kali fordert einen und vertilgt ihn. Deshalb wurde beschlossen, Geld zu sammeln und eine Opferfeier durchzuführen.

    Anderenfalls sterben weiterhin Menschen, einer nach dem anderen. Vor einiger Zeit gab es einen Busunfall mit vier Toten. Sie hatte die Gestalt einer alten Frau angenommen, und als er ihr auswich, hatte der Bus einen Unfall. Wenn das geschieht, sterben Leute – vier, fünf, zwei oder einer. Vor zwei Monaten starben viele, insgesamt 15 Personen. Die Menschen waren entsetzt und beschlossen, eine grosse Opferfeier durchzuführen, um Frieden zu stiften.

  • 56.
    kali
    Sara erzählt die Kali-Legende. Aufnahme von April 2004.
    3:55

    Kali war ein gutes Mädchen. Sie war ein guter Mensch. Damals auf der Erde war Kali sehr jähzornig. Sie tötete viele Menschen, überall auf der Welt. Wenn jemand vors Haus trat, tötete sie ihn. Da begann der mächtige Shankar nachzudenken: „Wenn sie alle Menschen dieser Welt tötet – wer wird bleiben, um uns zu verehren? Niemand wird uns dann mehr opfern.“

    Er dachte: „Kali… Ich muss eine Lösung finden. Von selbst wird Kalis Wut nicht abklingen.“ Der mächtige Shankar dachte: „Diese Wut muss enden, sonst tötet sie alle Menschen, und wer wird uns dann verehren?“ Dann dachte der mächtige Shankar: „Ich muss nachdenken und Kalis Wut beenden.“ Und Kali tötete, tötete, tötete.

    Sie kam nach Hause. Kali bleibe eine Weile im Haus, und als sie wieder losziehen und Menschen töten wollte, legte sich der mächtige Shankar vor ihre Türschwelle. „Wenn Kali über meinen Körper tritt, wird ihre Wut verklingen.“

    Kali machte sich bereit. In ihrem Zimmer zog sie sich sehr sorgfältig an. Sie ergriff das Schwert, mit dem sie die Menschen tötete, um dann ihr Blut zu trinken. Sie trank das Blut der Menschen, die sie tötete.

    Der mächtige Shankar lag vor der Türe; ein Stückchen vor der Türe; an einer ebenen Stelle, legte er sich hin. Kali machte sich bereit, auszugehen. Kali trat vor die Türe; der mächtige Shankar lag da, aber Kali sah ihn nicht. Kali setzte ihren Fuss auf Shankars Brust und sagte: „Was ist das denn?“ Dann sagte sie: „Was ist passiert?!“ Sie sah, dass der mächtige Shankar unter ihrem Fuss lag. „Was habe ich getan?!“ Kali streckte ihre Zunge heraus, dabei kühlte ihre Wut ab. In dem Augenblick, als sie ihren Fuss auf den mächtigen Shankar setzte, schoss ihre Zunge aus ihrem Mund und sie sagte: „Was habe ich getan?! Ich habe grosses Unrecht begangen!“ Kalis Wut klang ab.

    Shankar sagte: „Höre auf mit diesem Morden, mit dieser Gewalt! Dann werden uns die Menschen lieben und verehren.“ Danach gab Kali dieses Schlachten und Morden auf und sass friedlich an ihrem Platz. Und die Menschen sagten: „Kali ist gut geworden. Nun wollen wir sie verehren.“

    Seit jener Zeit verehren die Menschen Kali, sie verneigen sich vor ihr und lieben sie.

  • 57.
    kali-lied
    Kali-Lied des Baul-Sänger Vishnupada Das aus Dhakuria im North 24 Parganas-Distrikt Westbengalens. Aufnahme vom 20. August 2006.
    4:37

    Oh Shyama, Kali, tanz zu mir her; / Mutter, ich will dir folgen! / Goldene Glöckchen um deine roten Füsse – / ich höre ihr Klingeln. / Ich rufe dich, Mutter, oh Mutter, und begebe mich in deinen Schoss, / um dort Frieden zu finden.

    Oh Shyama, Kali, tanz zu mir her; / Mutter, ich will dir folgen!

    Bist du wahrhaft gefährlich, / oh Shyama Ma, oh Mutter, / und lässt uns die Dunkelheit fürchten? / „Kali, Kali, Kali” rezitierend / will ich meine Tage verbringen. / Oh Shyama, Kali, tanz zu mir her; / Mutter, ich will dir folgen!

  • 58.
    kalkutta
    Der Baul-Sänger Vishnupada Das spricht über die neuzeitlichen Veränderungen Kalkuttas, wobei er zwischen der westbengalischen Hauptstadt Kolkata und Kalighata, der Stadt Kalis, unterscheidet. Aufnahme vom 27. Oktober 2003.
    2:53

    In der Vergangenheit war Kalkutta gut, früher war Kalkutta eine gute Stadt. Heute ist Kalkutta eine gespaltene Stadt. Kalighata ist nicht länger die Stadt Kalis. Es ist ein Ort der Lüge. Zu viel Verschlagenheit. Würde und Anstand der Vergangenheit sind verschwunden, die Menschen haben sich verändert. Auch die Stadt hat sich verändert. Kalighata ist immer noch die Stadt Kalis, aber die Menschen haben sich verändert. Die Stadt Kalis ist gut, ich mag sie. Ich bin hier geboren – natürlich mag ich sie!

    Kalighata ist eine gute Stadt. Aber die vielen Menschen haben sie stark verändert. Unsere Mutter in Kalighat ist eine handelnde Mutter. Wenn man sie anruft, erhört sie einen. Aber was haben wir getan? Wir haben sie mit Heimlichtuerei umgeben. Die Mutter war nie geheimnisvoll. Indem wir sie zu einem Geheimnis machen, zerstören wir Kalkutta.

    Dort sind so viele Menschen. Wenn man hingeht, verlangen sie Geld. Ich möchte vielleicht hingehen und meine Opfer verrichten, aber ich werde es nicht tun können.

    Der hier sagt: „Gib mir Geld.“ Jener dort sagt: „Gib mir Geld.“ Ein anderer zieht mich in eine Ecke. So ist es heutzutage. Sie ist umgeben von Heimlichtuerei. Aber es gibt kein Geheimnis. Die Mutter war nie ein Geheimnis. In Dakhineshwar stellt man sich in eine Schlange und verrichtet seine Opfer. Man verrichtet seine Opfer, so wie man das möchte. Das ist hier nicht möglich: „Du willst ein Opfer verrichten? Komm, setz dich her. Ich werde es für dich tun.“ – „Welches Opfer willst du für mich verrichten? Du hast es für dich selbst nicht getan, wie willst du es für mich tun?“

    Aber es ist meine Pflicht – es geht nicht anders. Deshalb sage ich, sie wurde von Heimlichtuerei umgeben. Mutter bleibt Mutter. Sie ist nie weggegangen. Aber weil wir gierig geworden sind, tun wir all das. Kalighata ist Kalighata, Dharamtala ist Dharamtala, Dalhousie ist Dalhousie; daran hat sich nichts verändert.

    Alles ist gut so. Nur wir Menschen sind es nicht. Deshalb ist Kalkutta heute eine Stadt des Betrugs. Kalighata ist Kalighata. Kalkutta ist die Hauptstadt – es gibt keine bedeutendere Hauptstadt als Kalighata. Kalighata war eine sehr friedliche Stadt. Wir machten sie zu einer Stadt der Gewalt.

  • 59.
    grossstadt
    Bildrollenlied der beiden Künstlerinnen Manimala und Swarna Chitrakar aus dem Dorf Naya im Paschim Medinipur-Distrikt Westbengalens. Aufnahme vom 2. November 2005. Für weitere Informationen zu den beiden Sängerinnen siehe Kaiser, Bildrollen (2012: 46, 166ff.).
    2:41

    Merkwürdiges geschieht in Kalkutta; / wie, Bruder, finde ich bloss die richtigen Worte? / Mir ist nach Lachen, mir ist nach Weinen – / hört mir alle zu! / Die Howrah-Brücke ist furchteinflössend; / Tausende und Abertausende Autos fahren über die Brücke. / Höre ich Geschichten über die Brücke, kann ich bloss staunen; / denke ich darüber nach, vergeht mir das Denken; / oh mein Herz, wie viele Gedanken vermag ich zu fassen? / Ich sah die U-Bahn und fürchtete mich fast zu Tode: / Die Erde wurde geöffnet, nun fährt ein Zug darin – / das sind erstaunliche Neuigkeiten! / Als ich sie vernahm, machte ich ein Lied; / aber ich habe noch immer nichts zu essen – / sag’ mir warum, oh Gott! / Ich kam nach Kalkutta in der Hoffnung, / Bildrollen zu verkaufen. / Der Herr, der mich eingeladen hatte, / sprach nicht einmal mit mir. / Ich hatte gehofft, er würde eine Bildrolle nehmen / und mir dafür Geld geben, / aber der Herr kaufte nichts; / stattdessen war er so nett, / mir eine ganz nutzlose Adresse zu geben. / Ich nahm die Adresse und irrte herum – / ich konnte das Büro nicht finden. / Von dieser Art sind die Menschen in Kalkutta, / doch es gibt auch grosszügige Menschen; / wenn ich von ihnen spreche, kommen mir die Tränen.

  • 60.
    bettellied
    Bettellied der beiden Bildrollenkünstlerinnen Manimala und Swarna Chitrakar aus dem Dorf Naya im Paschim Medinipur-Distrikt Westbengalens. Aufnahme vom 2. November 2005. Für weitere Informationen zu den beiden Sängerinnen siehe Kaiser, Bildrollen (2012: 46, 166ff.).
    4:25

    Gebt uns etwas, ihr Menschen der Stadt – / deshalb sind wir hier! / Ihr seid unsere Familie – / deshalb sind wir hier! / Gebt uns etwas, ihr Menschen der Stadt – / deshalb sind wir hier, / um die Lieder unserer Bildrollen zu singen! / Gebt uns etwas, ihr Menschen der Stadt – / ihr werdet es nicht bereuen! / Gebt uns etwas, ihr Menschen der Stadt – / ihr seid unsere Familie! / Gebt uns etwas, ihr Menschen der Stadt – / deshalb sind wir nun in Kalkutta! / Gebt uns etwas, ihr Menschen der Stadt – / zu Hause leben wir im Elend! / Gebt uns etwas, ihr Menschen der Stadt – / wir sind hier und wollen Geld verdienen, / um unseren Kindern Essen zu kaufen! / Gebt uns etwas, ihr Menschen der Stadt – / deshalb verliessen wir unser Dorf / und kamen in die Stadt! / Gebt uns etwas, ihr Menschen der Stadt – / auf gefährlichen Strassen / riskierten wir unser Leben! / Gebt uns etwas, ihr Menschen der Stadt – / wir sehen sonst keinen Ausweg / aus unserem Elend! / Gebt uns etwas, ihr Menschen der Stadt – / ihr seid unsere Familie! / Gebt uns etwas, ihr Menschen der Stadt – / wir sind nicht gekommen, / um immer hier zu bleiben, / wir werden wieder gehen! / Gebt uns etwas, ihr Menschen der Stadt – / habt Erbarmen mit uns! / Gebt uns etwas, ihr Menschen der Stadt – / gebt uns ein bisschen Geld! / Gebt uns etwas, ihr Menschen der Stadt – / damit unsere Kinder ein glückliches Leben leben! / Gebt uns etwas, ihr Menschen der Stadt – / ihr seid unsere Familie! / Gebt uns etwas, ihr Menschen der Stadt!

    Namashkar!

  • 61.
    strassenhändler2
    Strassenhändler an der Chowringhee Road, aufgenommen im Juni 1998.
    6:28
  • 62.
    blaskapelle2
    Eine Brassband in Kalkuttas Mahatma Gandhi Road, aufgenommen am 2. November 1996.
    3:57
  • 63.
    chhath-prozession
    Prozession anlässlich des Chhath-Festes, bei welchem die Menschen ihrer Dankbarkeit für die lebensspendenden Kräfte der (männlich verstandenen) Sonne und seiner Schwester Chhathi Maiya Ausdruck verleihen. Aufnahme: Anfang November 2002.
    3:32
  • 64.
    trommler
    Vor der Kali Puja, dem Fest zu Ehren der Göttin Kali, warten Trommler der Dom-Kaste entlang der Hazra Road unweit des alten Kali-Tempels auf ein Engagement und werben mit Kostproben ihres Könnens. Aufnahmen vom 31. Oktober 2002.
    2:45
  • 65.
    trommler
    Vor der Kali Puja, dem Fest zu Ehren der Göttin Kali, warten Trommler der Dom-Kaste entlang der Hazra Road unweit des alten Kali-Tempels auf ein Engagement und werben mit Kostproben ihres Könnens. Aufnahmen vom 31. Oktober 2002.
    5:25
  • 66.
    trommler
    Vor der Kali Puja, dem Fest zu Ehren der Göttin Kali, warten Trommler der Dom-Kaste entlang der Hazra Road unweit des alten Kali-Tempels auf ein Engagement und werben mit Kostproben ihres Könnens. Aufnahmen vom 31. Oktober 2002.
    3:26
  • 67.
    trommler
    Vor der Kali Puja, dem Fest zu Ehren der Göttin Kali, warten Trommler der Dom-Kaste entlang der Hazra Road unweit des alten Kali-Tempels auf ein Engagement und werben mit Kostproben ihres Könnens. Aufnahmen vom 31. Oktober 2002.
    7:16
  • 68.
    trommler
    Vor der Kali Puja, dem Fest zu Ehren der Göttin Kali, warten Trommler der Dom-Kaste entlang der Hazra Road unweit des alten Kali-Tempels auf ein Engagement und werben mit Kostproben ihres Könnens. Aufnahmen vom 31. Oktober 2002.
    5:53
  • 69.
    immersion
    Nach dem Ende des Kali-Festes werden die oft mächtigen Kali-Figuren, die während des Festes überall in den Strassen und Gassen der Stadt stehen, von Gläubigen zum Hugli-Fluss getragen und bei Babughat dem Wasser übergeben. Aufnahme von Anfang November 2002.
    15:13
  • 70.
    menschenleben
    Aufnahme vom 26. August 2006 mit dem Baul Vishnupada Das aus Dhakuria im North 24 Parganas-Distrikt Westbengalens.
    4:58

    Glaubst du denn / dass keiner weiss, / was du tust in dieser Welt; / menschliches Leben in seiner Schönheit kommt niemals wieder. / Was du tust in dieser Welt, / wird festgehalten in Chitraguptas Buch. / Der Herr wird richten, / seinen Augen entkommst du nicht. / Menschliches Leben in seiner Schönheit kommt niemals wieder; / diese Welt kannst du nicht einfach betreten und verlassen. / Menschliches Leben in seiner Schönheit kommt niemals wieder. / Was du im Mund verbirgst / spricht lauter als du denkst; / besudle nicht / den Himmel deines Herzens. / Sei achtsam, oh Geist, und führe dieses Leben; / Nacht folgt auf Tag; / Mensch ist Gottes Inkarnation. / Der Meister spricht: „Öffne deine Augen und sehe”; / menschliches Leben in seiner Schönheit kommt niemals wieder.

  • 71.
    hütte
    Der Baul Vishnupada Das aus Dhakuria im North 24 Parganas-Distrikt Westbengalens, aufgenommen am 27. Oktober 2003.
    4:26

    Die Menschen nennen mich Baul. / Ich verlange nicht nach der Milch der Kuh; /in meinem Inneren werde ich immer und immer wieder geboren. / Die Menschen nennen mich Baul. / Bettelnd gehe ich von Türe zu Türe. / Mir reicht, was ich bekomme; / ich verlangte nicht nach dem Stern der Bequemlichkeit; / meine Laute ist mir eine Freundin fürs Leben; / mit ihr überwinde ich Kummer und Sorge. / Die Menschen nennen mich Baul. / Mir genügt meine kleine Hütte; / darin existieren Himmel und Hölle; / und der Himmel tanzt vor Freude. / Mich binden keine Rituale; / ich frage bloss: „Wohin soll ich gehen? / Wie soll ich dieses Leben leben?“ / In der kleinen Hütte / gibt es nur eine Welt: / eine Welt der Freude. / Für mich – inmitten von Kummer und Sorge ein Leben der Freude – das ist die Welt! / Geboren werden wir eins ums andere Mal; / die Menschen nennen mich Baul.

  • 72.
    baul
    Aufnahme vom 26. August 2006 mit dem Baul Vishnupada Das aus Dhakuria im North 24 Parganas-Distrikt Westbengalens.
    3:43

    Jeder nennt mich einen Baul, / doch ein Baul vermochte ich nicht zu werden. / Sag mir, wie kann ich solchen Schmerz ertragen? / Jeder nennt mich einen Baul, / doch ein Baul vermochte ich nicht zu werden. / Auch wenn ich mein Saffrangewand trage, / meine Laute in der Hand / und die heilige Kette um meinen Hals, wenn ich mein Haus verlasse – / ich kann mich von meinen Wünschen und Begierden nicht befreien. / Jeder nennt mich einen Baul, / doch ein Baul vermochte ich nicht zu werden. / Mein Geist sehnt sich nach Ruhm, Reichtum, Büchern; / dabei drohe ich, dich zu vergessen. / Ich weiss nicht, ob ich je wieder in diese Welt komme; / meine Geburt wäre bedeutungslos, käme ich mit leeren Taschen. / Lass meine Seele die eines Bauls sein; / wie lange soll ich denn in meiner sinnlosen Verkleidung herumstreifen? / Jeder nennt mich einen Baul, / doch ein Baul vermochte ich nicht zu werden. / Sag mir, wie kann ich solchen Schmerz ertragen? / Jeder nennt mich einen Baul.

  • 73.
    körper
    Aufnahme vom 20. August 2006 mit dem Baul Vishnupada Das aus Dhakuria im North 24 Parganas-Distrikt Westbengalens. Bei dem Lied scheint es sich um eine Komposition des berühmten, im späten 18. Jahrhundert geborenen Lalon Fakir zu handeln.
    5:23

    Still lebt Gott im Käfig deines Körpers; / sag mir, bist du ihm schon begegnet? / Unglücklich bin ich; / sag mir, bist du ihm schon begegnet? / Still lebt Gott im Käfig deines Körpers. / Ich ging zur Leichenverbrennungsstätte; / als ich nach Hause kam, fand ich Ihn. / Tag für Tag erfahren wir von jemandem, der starb, / aber geht er zur Verbrennungsstätte? / Still lebt Gott im Käfig deines Körpers. / Vier Leichen von vier Religionen treiben an vier Stellen im Fluss; / als Lalon von diesen Todesfällen erfuhr, / widmete er sich nur noch den letzten Zielen des Lebens. / Still lebt Gott im Käfig deines Körpers; / sag mir, bist du ihm schon begegnet? / Unglücklich bin ich; / sag mir, bist du ihm schon begegnet? / Still lebt Gott im Käfig deines Körpers.

    [Er spricht:] Lalon Fakir spricht hier; er sagt, er könne Gott nicht sehen, und deshalb fragt er jeden, ob der ihn sehen könne. Mein Körper mag leben oder sterben; doch meine Seele durchdringt alles. Dies ist seine spirituelle Botschaft an die Menschen, damit sie die Grösse Gottes zu erkennen vermögen. Wenn wir sterben, kommen wir alle zu demselben Ort; Religionszugehörigkeit macht dabei keinen Unterschied. Dann vereint sich die Seele mit Gott.

  • 74.
    lehm
    Eigenkomposition des Baul Vishnupada Das aus Dhakuria im North 24 Parganas-Distrikt Westbengalens. Aufnahme vom 19. März 1996.
    4:42

    [Spricht] Dieses Lied habe ich selbst komponiert.

    Dieser irdene Körper wird zu Asche verbrennen; / mein Körper ist ohnehin verdorben – / wozu sollte ich stolz darauf sein?

    [Spricht] Ein Reicher, der seinen Besitz geniesst – wozu sollte er sich um einen armen Mann wie mich scheren?

    So wie Götterbilder aus Stoh und Lehm gefertigt werden, / erschuf mich Gott aus Fleisch und Blut. / Mein Blut ist voller Insekten; die Insekten nagen an mir. / Wo wird die Liege bleiben, die Matratze und das Bett? / Nach nur wenigen Tagen erreichen wir alle denselben Ort. / Einer ist ein König, der andere ein Bettler; / wir finden alle zur Verbrennungsstätte.

  • 75.
    acker
    Aufnahme vom 26. August 2006 mit dem Baul Vishnupada Das aus Dhakuria im North 24 Parganas-Distrikt Westbengalens.
    3:24

    Dieser Acker gehört einem anderen; / ich bestelle ihn, / doch der Acker gehört mir nicht. / Der Eigner dieses Ackers / gestattet mir nicht, / ihn zu sehen; / wem kann ich meinen Kummer klagen? / Ich kann ihn nicht sehen; / wem kann ich meinen Kummer klagen? / Der Acker gehört mir nicht.

    Ich gestatte ihm nicht, den Acker nach seinen Wünschen zu bestellen; / deshalb wirft er nichts ab; / oh Guru, das ganze Jahr hindurch leide ich nur. / Ich habe die Pacht beglichen; / trotzdem wird nun dieser Acker dem Meistbietenden überlassen. / Ich tue mein Bestes, ihn zu beeindrucken; / doch er antwortet nicht auf meine Rufe. / Der Acker gehört mir nicht; / dieser Acker gehört einem anderen.

    Verzweifelt weine ich das ganze Jahr; / da erscheint er. / Ich habe gesät und die Ernte eingebracht / und dem Guru übergeben. / Obschon ich hart arbeitete auf diesem Acker, / kann ich doch seine Früchte nicht geniessen. / Fakir Lalan sagt: „Ich erreiche ihn nicht; / wenn ich ihn rufe, antwortet er nicht.” / Der Acker gehört mir nicht.

  • 76.
    alleine
    Muslimisch-mystisches Lied gesungen von Manimala Chitrakar, einer Bildrollenkünstlerin aus dem Dorf Naya im Paschim Medinipur-Distrikt Westbengalens. Die Aufnahme stammt vom 2. November 2005.
    3:47

    Du nennst dein Zuhause dein Heim; / doch daheim bist du hier nicht; / dein wahres Heim ist der Sarg. / Doch du nennst dein Zuhause dein Heim. / Alleine bist du gekommen, und alleine wirst du gehen, / keiner wird dich begleiten; / Brüder und Freunde werden zurückbleiben. / Wie schön ist diese Frau! / Hier im Sarg / haben Schönheit und Jugend sie verlassen; / alles wurde zu Staub. / Ihr, die ihr stolz seid auf eure Schönheit und Jugend – / kommt her zum Sarg und seht selbst! / Wo werden Vater und Mutter leben? / Sie leben in meinem Herzen. / Ich werde nun aufbrechen und gehen; / wie kann ich nur sagen, was ich fühle? / Du erschufst dir ein Zuhause aus Diamanten und Perlen, / und du träumst auf einem diamantenen Bett. / Doch du musst aufbrechen und gehen. / Du nennst dein Zuhause dein Heim; / doch daheim bist du hier nicht; / dein wahres Heim ist der Sarg. / Doch du nennst dein Zuhause dein Heim.

  • 77.
    pfau
    Aufnahme vom 19. März 1996 mit dem Baul Vishnupada Das aus Dhakuria im North 24 Parganas-Distrikt Westbengalens. Das Lied gehört zu einer Kategorie esoterischer, als ulto baul (ulto: umgekehrt), bezeichneter Lieder, deren Bedeutungen nur Mitgliedern der Baul-Gemeinschaft selbst bekannt sind. Siehe auch Lied 79.
    7:40

    Sieh nur den Tanz – sieh den Tanz des Pfaus! / Nicht meine Mutter brachte mich zur Welt; / ich wurde aus einem anderen Leib geboren; / in keinem Zimmer und auf keinem Boden. / Am Ufer des ausgetrockneten Flusses, / sitzt auf dem Kopf einer Schlange ein Frosch, / und nahebei tanzt unablässig der Pfau. / Eine Alte von achtzig Jahren / bewirkte eine Liebesaffaire zwischen Mutter und Sohn. / Geschrieben wurde dieses Lied von Onkel Halin; / sein Haus steht in Borishal. / Als er über diese merkwürdigen Dinge nachdachte, / verliess Halin Heim und Familie. / Bei einem Diebstahl / wurde der Dieb erwischt und angeklagt; / der Prozess fand statt vor dem hohen Gericht; / doch die drei Richter waren tot.

  • 78.
    verrückt
    Aufnahme vom 19. März 1996 mit dem Baul Vishnupada Das aus Dhakuria im North 24 Parganas-Distrikt Westbengalens.
    3:41

    Nicht einfach nur so wurde ich verrückt; / einen wahren Verrückten nach meinem Geschmack konnte ich nicht finden. / Falsche Verrückte findest du in allen Ländern, sobald du nur deine Augen öffnest, / oh Shiva! / Aber wenige nur sind echt. / Manche sind verrückt nach Besitz / und manche verrückt nach Frauen. / Manche sind verrückt nach Reichtum / und manche verrückt nach Ruhm. / Doch wieviele sind verrückt nach der Wahrheit? / Der wahre Verrückte tanzt mit dem Guru; / das ist die Wurzel echter Verrücktheit. / Brahma ist verrückt, ebenso Vishnu; / ein anderer Verrückter ist schwer zu fassen: / Shiva ist verrückt und lebt auf Verbrennungsstätten, / er berauscht sich mit bhang und Nachtschatten. / Ihm will ich mich anschliessen, um selbst verrückt zu werden! / Chaitanya auf seinem Wagen werde ich nicht beachten. / Einen wahren Verrückten nach meinem Geschmack konnte ich nicht finden, / deshalb wurde auch ich nicht wirklich verrückt.

  • 79.
    weltenei
    Weiteres Beispiel eines esoterischen ulto-baul-Liedes. Aufnahme vom 19. März 1996 mit dem Baul Vishnupada Das aus Dhakuria im North 24 Parganas-Distrikt Westbengalens. Siehe auch Lied 77.
    3:20

    Habt ihr die seltsame Geschichte gehört / vom Elefanten, der durch ein Nadelör ging? / Wirklich eine merkwürdige Sache.

    [Spricht] Die Bedeutung hier ist dieselbe wie im Fakirlied vom Vogel im Blumengarten, der Allahs Namen singt. Die Rede ist zwar von einem Vogel, aber man muss schon überlegen, wer zuerst kommt – der Vogel oder man selbst.

    Ich staune, als ich den Markt von Gourlila erreiche: / Ein Moringabaum steht dort, daran wachsen Mangos, / im Inneren der Mangos Jambolanapflaumensamen, / und aus den Samen wachsen Schösslinge. / Schau – in einem Ei vierzehn Welten und Märkte, / dazu eine Ente und ein Erpel; / hier fallen die vier Zeitalter auf einen Punkt. / Und in diesem Ei ein weiteres Ei; / wirklich eine merkwürdige Sache.

  • 80.
    vogelkäfig
    Auch hier und bei den nächsten beiden Liedern handelt es sich offenbar um Kompositionen des Lalon Fakir. Aufnahme vom 26. August 2006 mit dem Baul Vishnupada Das.
    4:51

    Der fremde Vogel in diesem Käfig – / wie kommt und geht er bloss? / Wenn ich den Vogel fangen könnte, / würde ich ihn in meinem Geiste fesseln; / wie kommt und geht er bloss? / Die Türe des Käfigs ist fest verschlossen, / doch sie hat Risse. / Komm her, Vogel, mit Glöckchen an deinen Beinen. / Der fremde Vogel in diesem Käfig – / wie kommt und geht er bloss? / Es ist dein Schicksal; / sonst hättest du gemerkt, dass der Vogel von dir selbst bewirkt ist. / Eines Tages wird mein Vogel dem Käfig entkommen / und sich im Wald verstecken. / Der fremde Vogel in diesem Käfig – / wie kommt und geht er bloss? / Oh mein Geist, du wartest darauf, dass der Käfig zu dir kommt, / aber dafür bist du nicht bereit. / „Wir wissen nicht, wann der Käfig sich öffnet,“ / sagt Lalon und weint; „oh Vogel,“ sagt Lalan und weint. / Der fremde Vogel in diesem Käfig – / wie kommt und geht er bloss? / Wenn ich den Vogel fangen könnte, / würde ich ihn in meinem Geiste fesseln; / wie kommt und geht er bloss?

  • 81.
    kaste1
    Aufnahme vom 20. August 2006 mit dem Baul Vishnupada Das aus Dhakuria im North 24 Parganas-Distrikt Westbengalens.
    4:48

    Die Gesellschaft fragt nach Lalons Kaste; / ich habe die Welt durchstreift, / doch ich konnte keinen Guru aus meiner Kaste finden – / die Gesellschaft fragt nach Lalons Kaste. / Durch Beschneidung wird ein Junge zum Muslim; / was wird aus dem Mädchen? / Einen Brahmanen erkennt man an seiner heiligen Schnur, / aber – Gott – wie erkenne ich eine Brahmanin? / Die Gesellschaft fragt nach Lalons Kaste. / Die heiligen Perlenschnüre haben unterschiedliche Namen, / aber reicht das für eine Unterscheidung der Kasten? / Wie erkennen wir Kaste bei unserem Kommen und Gehen? / Oh Guru, wie erkennen wir Kaste bei unserem Kommen und Gehen? / Die Gesellschaft fragt nach Lalons Kaste; / auf der ganzen Welt habe ich das Wirken von Kasten gesehen. / Lalon sagt: „Gott, ich habe der Gesellschaft Liebe geschenkt ohne Berücksichtigung von Kaste.“ / Die Gesellschaft fragt nach Lalans Kaste.

  • 82.
    kaste2
    Aufnahme vom 26. August 2006 mit dem Baul Vishnupada Das aus Dhakuria im North 24 Parganas-Distrikt Westbengalens.
    4:33

    Oh meine Kaste ist verschwunden, / was ist geschehen? / Oh meine Kaste ist verschwunden. / Keiner ist bereit, dem richtigen Pfad zu folgen; / alle zögern nur. / Oh meine Kaste ist verschwunden, / was ist geschehen? / Oh meine Kaste ist verschwunden. / Was war die Kaste deines Kommens; / welche Kaste brachtest du mit in diese Welt? / Welche Kaste nimmst du mit, wenn du die Welt verlässt? / Denke nach, mein Freund, und lass es mich wissen. / Oh meine Kaste ist verschwunden, / was ist geschehen? / Oh meine Kaste ist verschwunden. / Brahman, Chandal, Chamar, Muchi – / sie alle baden an demselben Ufer; / befreit sie das von ihren Kasten? / Oh meine Kaste ist verschwunden, / was ist geschehen? / Oh meine Kaste ist verschwunden. / Er, der heimlich im Haus einer Prostituierten isst, / entledigt ihn das seiner Kaste? / Lalon sah all das und sagte: „Ich konnte die Gestalt von Kaste nie erkennen.” / Oh meine Kaste ist verschwunden, / was ist geschehen? / Oh meine Kaste ist verschwunden. / Keiner ist bereit, dem richtigen Pfad zu folgen; / alle zögern nur.

  • 83.
    allahs garten
    Aufnahme vom 19. März 1996 mit dem Baul Vishnupada Das aus Dhakuria im North 24 Parganas-Distrikt Westbengalens.
    2:59

    Dort, in einem Obstgarten, / spricht ein Vogel den Namen Allahs. / Blumengarten um ihn herum, / und Flaggen in dessen vier Ecken. / Der Vogel fliegt im luftigen Raum; / er ist einfarbig, / aber seine Flügel zeigen vier Farben, / und der Name des Propheten ist darauf geschrieben. / Auch wenn der Vogel Flügel hat – / so fliegt er doch nicht, sondern geht zu Fuss. / Und obschon er Zähne hat, / schlingt er seine Nahrung ohne zu kauen. / Der Vogel rezitiert den Koran des Propheten.

  • 84.
    wassertropfen
    Lied über die Vergänglichkeit des Lebens; gesungen von Sara Aufnahme von November 2005.
    1:41

    Auf dem Blatt bebt ein Wassertropfen, / so unstet ist auch das Leben; / wann ich gehen muss, / kann ich unmöglich wissen.

    Wer ist vertraut / und wer ist dir fremd? /Allah ist mein Vertrauter, / und fremd sind mir die Menschen.

    Wer reicht dir den Zweig zur letzten Zahnreinigung, / und wer gibt dir Erde? / Allah reicht mir den Zweig zur letzten Zahnreinigung, / und Menschen geben mir Erde.

  • 85.
    schicksal
    Gesungen von Sara und aufgenommen im November 2005.
    0:34

    Das mir von Gott bestimmte Schicksal / kann keiner ändern. / Was soll ich tun, wohin soll ich gehen? / Ich weiss es nicht; / das Leben ist voller Kummer.

  • 86.
    medina
    Gesungen von Manimala und Swarna Chitrakar, zwei Bildrollenkünstlerinnen aus Naya im Paschim Medinipur-Distrikt Westbengalens. Aufnahme vom 2. November 2005.
    5:11

    Wir reisen ins Land unseres geliebten Propheten, / lasst uns die Segel setzen! / Wir reisen ins Land des Propheten; / wir werden seine Füsse berühren können. / Ohne Schwierigkeiten werden wir hinübersetzen; / lasst uns beten und die Segel setzen. / Der Herr beider Welten wird die Gemeinde sicher hinüberbringen; / wir küssen die Füsse des Allmächtigen. / Wir reisen ins Land unseres geliebten Propheten, / lasst uns die Segel setzen! / Oh Schiffer, zögere nicht; / binde das Boot los, wir reisen nach Medina. / Der Prophet kam in die Welt; / wenn er weinte, weinte er tausend Perlen; / wenn er lachte, lachte er Diamanten. / Gefährten des Weisen – / wozu sollten wir uns sorgen? / In meinem Herzen die Ka’aba, / in meinen Augen Medina. / Wir reisen ins Land unseres geliebten Propheten, / lasst uns die Segel setzen! / Die Gefährten des Propheten, / werden Falschheit des Herzens nie erfahren. / Später, Gefährten, werdet ihr den Propheten sehen. Wie die Weisen sagten: Es gibt überhaupt keinen Grund zur Sorge. / Wir reisen ins Land unseres geliebten Propheten, / lasst uns die Segel setzen!

  • 87.
    stolz
    Aufnahme mit den Qawwali-Musikern Faiz Ahmed Faiz (Harmonium, Gesang) und Mantu Bose (Tablas) am 23. August 2006 in Kalkutta.
    7:40

    Willst du den Namen Allahs annehmen, / so musst du zuerst den Propheten kennen. /Worte sind alles in dieser Welt; / Kalimah und Darud sind Worte; / der Koran ist Wort. / Das Miʿrādsch des Asia Nabi besteht aus 90 000 Worten. / Der Prophet Murshid spricht: / „Das Leben des Menschen soll nicht dem Luxus dienen; / ihr habt Verantwortungen wahrzunehmen in dieser Welt.“ / Ihr sollt nicht stolz sein auf Schönheit und Reichtum; / kommt her und hört meine Worte. / Wer ist ein König und wer ist ein Bettler? / Jeder ist Mensch. / Wir kommen hierher für vier Tage und kehren dann zurück; / alles ist vergänglich; / jeder ist Mensch. / Warum verliert ihr euch in Streit und verspielt euer Ansehen? / In den Augen Gottes sind alle gleich; / er unterscheidet Gut und Böse. / Noch ist Zeit; / nimm den Namen des Propheten an; / sonst wirst du ohne Zuhause sein. / Wir kommen hierher für vier Tage und kehren dann zurück; / alles ist vergänglich. / Manche Menschen sagen, da war ein Tempel, / andere sagen, da stand eine Moschee. / Wenn du nicht weisst, wer du bist, / bist du nicht wirklich Mensch; / jeder ist Mensch. / Wer ist ein König und wer ist ein Bettler? / Jeder ist Mensch.

  • 88.
    flöte
    Aufnahme mit den Qawwali-Musikern Faiz Ahmed Faiz (Harmonium, Gesang) und Mantu Bose (Tablas) am 23. August 2006 in Kalkutta.
    22:31

    Das Leben ist voller Unglück; / ich bin hier für nur vier Tage – / deshalb fürchte ich mich vor dem Leben. / Ich bin ein Mensch, / doch ich fürchte die Menschen.

    [Spricht] Die Heiligen und Geistlichen verbringen ihr Leben nicht in Luxus. Wie sie sollten wir lernen, in unseren Leben Opfer zu bringen.

    Komm, lass mich mein Leben einem anderen schenken, / bevor der Tod mich berührt. / Ich kann das Blut nicht ertragen.

    [Spricht] Meine Wünsche bleiben unerfüllt; ich mag mir in meinem Leben vieles wünschen, aber meine Wünsche werden nicht Wirklichkeit.

    Lieber soll mein Herz brechen, als dass ich meinen Geliebten betrübt sehe.

    [Spricht] Ich bin bereit alles zu verlieren, doch lass mich im Gesicht meines geliebten Gottes ein Lächeln sehen.

    Das Leben ist wie eine Flöte. / Eine Flöte ist nutzlos ohne die Löcher. / Ebenso hat Leben ohne Schmerz keine Substanz.

    [Spricht] Auch wenn das Leben voller Kummer ist, kann ich doch nicht aufhören zu lächeln. Da ich geboren wurde, werde ich meine Tage hier verbringen.

    Das Leben ist wie ein gemietetes Heim; / irgendwann zieht man um.

    [Spricht] Das Leben ist vergänglich. Eines Tages werden wir diese irdene Hülle verlassen.

    Das Leben ist wie ein gemietetes Heim; / irgendwann zieht man um. / Wenn der Tod ruft, / muss man dieses Heim verlassen.

    [Spricht] Der Tod vergisst niemanden. Was geschah mit den Königen, denen die ganze Welt gehörte?

    Was geschah mit Sikander, / der einst sagte: „Die ganze Welt gehört mir; / und manche sagen, der Himmel und die Sternbilder gehörten mir“?

    [Spricht] Jeder sagt: „Diese Erde gehört mir, dies alles gehört mir, dieser Reichtum gehört mir“; aber keiner sagt

    Welches ist unsere letzte Bestimmung? / Wenn der Tod ruft, / muss man dieses Heim verlassen.

    [Spricht] Auf den Tag folgt die Nacht, und so wird es immer sein. Wir leben in der Erwartung, dass ein Morgen in unser Leben tritt.

    Wir leben in der Hoffnung, dass Tag auf Nacht folgt, / aber wir wissen nicht, ob wir einen weiteren Tag erleben.

    [Spricht] Wir müssen hart arbeiten, um uns einen guten Platz in unserem ewigen Leben zu sichern. Nur durch Hoffnung können wir im Leben etwas erreichen, ohne Hoffnung bleiben wir erfolglos.

    Wir leben in der Hoffnung, dass Tag auf Nacht folgt, / aber wir wissen nicht, ob wir einen weiteren Tag erleben. / Bevor wir den Blumenpfad betreten, / gehen wir auf einem Dornenpfad. / Im Moment unseres Todes, verliert der Körper seine Bedeutung. / Jeder sieht eine brennende Kerze. / Hat jemand gemerkt, dass es der Docht ist, der brennt; / denkt jemand nach über den brennenden Docht? / Es ist so, weil die Kerze sich sorgt; sogar die Kerze weint; / und ebenso weinen die Menschen.

    [Spricht] Die Kerze ist ein Symbol des menschlichen Lebens. Wir zünden Kerzen an im Tempel oder in der Moschee, weil dies unser Leben reflektiert.

    Gott sagt, jeder hat seine Pflicht zu erfüllen. / Warum weint die Kerze? / Wer wird sie auslöschen? / Deine Bestimmung ist es zu brennen; / Weinen wird dabei nicht helfen. / Dein ganzes Leben lang wirst du Kummer leiden. / Ungeachtet seiner Religion ist jeder aus Erde geboren und kehrt im Tod zur Erde zurück.

    [Spricht] Die Hindus werden nach ihrem Tod zu Asche verbrannt; Muslime und Christen werden beerdigt.

    Ungeachtet seiner Religion ist jeder aus Erde geboren und kehrt im Tod zur Erde zurück. / Die Hindus werden nach ihrem Tod zu Asche verbrannt; Muslime und Christen werden beerdigt. / Vier Nächte lang scheint der Mond in unserem Leben; / in allen anderen Nächten herrscht Finsternis.

    [Spricht] Im Leben jedes Menschen gibt es vier Stadien: Kindheit, Jugend, mittleres Alter und Alter.

    Das Leben ist ein kurzer Traum; / finde jemanden zu lieben. / Wenn der Tod das Leben berührt, / muss man ein freudlos gelebtes Leben bereuen.

    [Spricht] Wo in dieser Welt gibt es wahre Liebe?

    Jeder sieht eine brennende Kerze. / Hat jemand gemerkt, dass es der Docht ist, der brennt; / denkt jemand nach über den brennenden Docht? / Es ist so weil die Kerze sich sorgt; sogar die Kerze weint; / und ebenso weinen die Menschen.

    [Spricht] Die kleinen Insekten kommen für eine Weile zur Welt; dann verbrennen sie in einer Kerzenflamme und sterben. So geschieht es auch den Menschen. Doch das Licht zieht uns an, selbst wenn es uns tötet. Wenn man im Wald eine Kerze anzündet, kommen die ganzen Insekten.

    Jeder sieht eine brennende Kerze. / Hat jemand gemerkt, dass es der Docht ist, der brennt; / denkt jemand nach über den brennenden Docht? / Es ist so weil die Kerze sich sorgt; sogar die Kerze weint; / und ebenso weinen die Menschen. / Das Insekt verbrennt in der Kerzenflamme und fragt: / „Warum verbrennst und tötest du uns?“ / Oh Kerze – warum brennst du? / Wer wird dich trösten? / Was dein Schicksal bestimmt, wird unbedingt geschehen. / Stets hast du Kummer zu erleiden.

    [Spricht] Ich schenkte jemandem ein Hochzeitsgewand, / doch er gibt mir ein Totengewand. / Vom Moment unserer Geburt an sprechen wir von Liebe, / ohne zu wissen, was sie bedeutet; / wir wissen nicht, was uns bevorsteht. / Du hörst nicht auf die Belehrungen deiner Eltern; / dein Leben lang wirst du lernen und Tropfen für Tropfen schmelzen. / Das Leben ist wie ein gemietetes Heim; / irgendwann zieht man um. / Wenn der Tod ruft, / muss man dieses Heim verlassen.

  • 89.
    totenerweckung
    Aufnahme mit den Qawwali-Musikern Faiz Ahmed Faiz (Harmonium, Gesang) und Mantu Bose (Tablas) am 23. August 2006 in Kalkutta.
    11:52

    [Spricht] Die Kraft eines Heiligen ist so mächtig, dass sie Tote zum Leben erwecken und Früchte an verdorrten Bäumen wachsen lassen kann.

    Sein Name lässt die Flamme erlöschen; / dies vermag nur ein Heiliger; / nur ein Heiliger schafft Frieden im Himmel. / Oh mildherziger Prophet, / bitte lasse mich die Hürden in meinem Leben überwinden. / Ich vermag dieses lecke Boot nicht zu rudern. / Oh mildherziger Prophet, / bitte lasse mich die Hürden in meinem Leben überwinden. / Du bist der mildherzige Prophet; / ich verrate dir meine Wünsche; / du erhörst jeden – / warum nicht mich? / Ich werde dich nicht verlassen, / auch wenn du meine Wünsche jetzt nicht erfüllst. / Oh mildherziger Prophet, / bitte lasse mich die Hürden in meinem Leben überwinden. / Ich vermag dieses lecke Boot nicht zu rudern. / Warum kamst du in diese Wüste und gabst dein Leben in Luxus auf? / Warum lebst du hier in Finsternis, geplagt von Mücken? / Oh mildherziger Prophet, / bitte lasse mich die Hürden in meinem Leben überwinden. / Ich vermag dieses lecke Boot nicht zu rudern. / Oh der mildherzige Prophet / wird den, der ihn ehrt, niemals enttäuschen, / doch wie viel man ihm auch opfert, wird er nicht jeden Wunsch erfüllen. / Oh mildherziger Prophet, / bitte lasse mich die Hürden in meinem Leben überwinden. / Ich vermag dieses lecke Boot nicht zu rudern.

  • 90.
    wildtier
    Aufnahme mit den Qawwali-Musikern Faiz Ahmed Faiz (Harmonium, Gesang) und Mantu Bose (Tablas) am 23. August 2006 in Kalkutta.
    15:58

    [Spricht] Ich werde eine Geschichte erzählen. Eines Tages ging Biswa Nabi, der Prophet, seines Weges und begegnete einem Jäger, der eine Hirschkuh gefangen hatte. Der Hirsch betete zu Allah und sagte: „Allah, wenn du mir die Gabe des Sprechens schenkst, bitte ich den Propheten, mich von dem Jäger zu befreien, denn ich habe meine Kinder zurückgelassen und habe sie schon lange nicht mehr gesehen.“ Allah gewährte ihr diesen Wunsch, und die Hirschkuh flehte: „Biswa Nabi, befreie mich von diesem Jäger; ich werde nur meine Kinder besuchen und dann sogleich zurückkommen.“

    Der Prophet übersetzte dem Jäger den Wunsch der Hirschkuh, doch der Jäger entgegnete: „Wie kann ich ihr vertrauen? Ich fing sie erst nach einer anstrengenden Jagd. Wie kann ich sie einfach gehenlassen?“ Der Jäger sagt, er wolle sie gehenlassen, denn er konnte dem Wunsch des Propheten nicht widerstehen. Biswa Nabi, der jedes Lebewesen liebt, sagte: „Gut, lass sie gehen und binde mich an ihrer Statt. Ich werde bei dir bleiben bis sie wiederkehrt. Ich werde deinen Befehlen gehorchen.“

    Der Jäger dachte: „Das ist keine schlechte Idee. Ich kann den Mann mehr Arbeit tun lassen als ein Tier.“ Er liess die Hirschkuh frei. Sie lief zurück zu ihren Jungen, und als sie bei ihnen war, sprach sie

    [Singt] Euretwegen kam ich zurück. Trinkt meine Milch, und dann lasst mich gehen.

    [Spricht] Als sie das hörten, antworteten die Jungen: „Mutter, du bist gerade erst gekommen und willst, dass wir dich wieder gehenlassen, sobald du uns gestillt hast? Was ist mit dir passiert?“ Die Mutter erklärte ihre Lage.

    [Singt] Ein Jäger hat mich gefangen. Wie ich ihn dazu brachte, mich freizulassen, ist eine lange Geschichte. Mohammed, der Prophet unserer Welt, half bei meiner Befreiung. Er nahm meinen Platz ein, und wenn ich euch gestillt habe, muss ich schnell zu ihm zurück.

    [Spricht] Da fingen die Jungen an zu weinen. Nachdem sie gehört hatten, was dem Propheten zugestossen war, erklärten sie ihrer Mutter

    [Singt] Unseretwegen befindet sich der Prophet in den Händen des Jägers. Wir werden deine Milch nicht trinken, oh Mutter. Bitte führe uns zum Propheten. Oh Mutter, lass uns gleich aufbrechen, und versuche nicht, uns aufzuhalten. Lieber als uns von dir stillen zu lassen, berühren wir die Füsse des Propheten. Das Wasser, das seine Füsse netzte, wird unseren Hunger stillen. Oh Mutter, führe uns zu dem Propheten, zögere nicht!

    [Spricht] Da entgegnete die Mutter ihren Kindern: „Oh meine Kinder, ich befinde mich schon in Gefahr. Warum wollt ihr mir folgen?“ Aber die Jungen waren entschlossen, sie zu begleiten, zuerst den Propheten zu befreien und sich erst dann stillen zu lassen. Als sie die Entschlossenheit ihrer Jungen bemerkte, willigte sie ein, und sie machten sich auf den Weg durch den Wald.

    [Singt] Schon von weitem sahen sie den Propheten, und die Jungen fragten ihre Mutter: „Ist er unser Prophet aus Medina, Mutter? Bitte führe uns zu dem Propheten, oh Mutter. Führe uns zu dem Propheten.“ Der Jäger, der vor dem Propheten stand, erkannte ihn nicht. Doch die Jungen baten ihre Mutter schon von Weitem: „Bitte führe uns zu dem Propheten, oh Mutter. Führe uns zu dem Propheten.“

    [Spricht] Inzwischen bemerkte der Jäger die Hirschkuh mit ihren beiden Jungen.

    [Singt] Er war überglücklich, sie alle drei zu erwischen: „Anstelle von einer bekomme ich drei. Nie habe ich gesehen, wie Tiere des Waldes dem Befehl eines Menschen gehorchen. Diese drei aus dem Wald sind unschuldig und vor Liebe blind.“ – „Bitte führe uns zu dem Propheten, oh Mutter. Führe uns zu dem Propheten.“

    [Spricht] Der Jäger gestand dem Propheten seine Schuld ein: „Es tut mir leid, ich habe dich nicht erkannt. Wer bist du, bitte sag es mir!“

    [Singt] Der Jäger bat: „Oh verrate mir, wer du bist; grosszügig wie du bist – wer bist du? Ich möchte dein Sklave sein und deine Füsse berühren.“ – „Bitte führe uns zu dem Propheten, oh Mutter. Führe uns zu dem Propheten.“

    [Spricht] Als der Jäger erklärte, des Propheten Sklave werden zu wollen, vergab ihm dieser seine Sünde und liess den Jäger die Kalimāt lesen. Nachdem er die Kalimāt gelesen hatte, bemerkte der Jäger, wie er sich im Inneren veränderte. Er gab die Hirschkuh ihren Jungen zurück.

    [Singt] Das wilde Tier kehrte zurück und veränderte das Leben des Jägers. Oh Prophet, höre mich an. Das wilde Tier kehrte zurück und veränderte das Leben des Jägers. Der Jäger las die Kalimāt und gab die Tiere frei. Abdul Karim wurde verrückt aus Liebe zu Gott. – „Bitte führe uns zu dem Propheten, oh Mutter. Führe uns zu dem Propheten. Unseretwegen befindet sich der Prophet in den Händen des Jägers. Wir werden deine Milch nicht trinken, oh Mutter. Bitte führe uns zum Propheten.“

  • 91.
    strassenbettler
    Ein Bettler geht durch die abendliche Menschenmenge entlang der Chowringhee Road und spielt auf seinem Harmonium eine ebenso einfache wie eindringliche Weise. Aufnahme von Juni 1998.
    7:49
  • 92.
    strassenhunde
    Mitternacht beim alten Kali-Tempel, aufgenommen im Oktober 2002.
    6:39
  • 93.
    nächtliches bad
    Nachts beim alten Kalitempel; ein einsamer Sadhu nimmt im Tolly-Kanal, der von Ansässigen respektvoll als Adi Ganga („Alter Ganges“) bezeichnet wird, ein spätes Bad. Aufnahme von Juni 1998.
    11:43