Pressetext zu Ausstellung Gefässe für das Heilige:

In welchen Formen und Farben, Gestalten und Körpern sich Heiliges ausdrückt, lässt sich anhand indischer Objekte sehr anschaulich darstellen. In dieser Ausstellung mit Gegenständen der Verehrung wird gelebte Religion in ihrer je charakteristischen Ausdrucksform sichtbar und spiegelt sich in der Vielfalt der zur Herstellung verwendeten Materialien  Holz, Papier, Tuch, Metall, Ton, Kristall und in deren Bearbeitung, Gebrauch und Bedeutung.

Die in Indien anzutreffenden Religionen  in unvollständiger Aufzählung: Hinduismus, Islam, Sikhismus, Jainismus, Buddhismus und Christentum weisen neben aller Verschiedenheit bemerkenswerte, typisch indische, Gemeinsamkeiten auf, welche auf einer Ebene des Sicht- und Greifbaren, der Materialität und des Gebrauchs von Gegenständen besonders deutlich zutage treten. Verschiedene Themenkreise umreissen diese Berührungspunkte, stellen aber auch fr eine gängige Betrachtungsweise des Phänomens Religion eher ungewohnte Zugänge dar, die nicht in erster Linie den ideologischen, sondern eher den alltags- und jenseitstauglichen Charakter von Religion in den Blick nehmen.

Ein Aspekt, der mit der körperlichen Seite von Religion zu tun hat, verweist auf die Erde als Ursprung allen Lebens und auf die Tiere, die dem Bereich der Natur näher verbunden sind als die Menschen. Die Erfahrung religiösen Eingebunden- und Aufgehobenseins steht oft im Zusammenhang mit Tieren, die als heilig gelten und die im Umfeld von Gottheiten anzutreffen sind oder gar selber göttlichen Status geniessen, wie beispielsweise den Schlangen oder dem beliebten Affengott Hanuman.

Die Frage nach der Darstellbarkeit des Göttlichen ist ein Thema, das jede Religion auf die eine oder andere Weise betrifft. Indische Götterbilder können sehr konkret und in üppiger Bildlichkeit dargestellt sein; es gibt jedoch auch Abbildungen von Gottheiten, die ganz abstrahiert ausgeführt sind, etwa die Yantra genannten zwei- oder dreidimensionalen Diagramme, die in ihrer Geschlossenheit von einer ungeheuer mächtigen Kraft erfüllt sind.

Zeichen göttlicher Anwesenheit, oft konzentriert auf die Darstellung von Füssen, Händen oder Blicken, haben häufig die ganz praktische Aufgabe, Schutz zu gewähren und feindliche Kräfte abzuwehren.

Ebenso sind Gegenstände, die frs Ritual gebraucht werden, oft von ihrer Funktion her zu begreifen: Sie sollen helfen, den Kontakt zur Gottheit oder zum Göttlichen herzustellen. Dazu dienen Formen, Verzierungen oder Materialien, die vom praktischen Nutzen zeugen, aber auch Vieles anklingen lassen, was zur hauptsächlichen Aufgabe, der rituellen, zweckdienlich ist. Ein Löffel nährt das Opferfeuer, weist aber auch auf eine Gottheit der bedingungslosen Liebe hin; ein Wasserkesselchen hält Wasser bereit zur Spende und hat die Form eines zur Schöpfung fähigen Ur-Eies.

Auch Vorstellungen darüber, wie göttliche Inhalte von Gott zu den Menschen und zwischen den Menschen übermittelt werden können, weisen in Indien weitgehende Gemeinsamkeiten über alle Religionen hinweg auf. Lehrpersonen geben heiliges Wissen an ausgewählte Menschen weiter. Ihr Ansehen ist sehr hoch; sie werden ihrer tiefen Einsichten wegen verehrt, und ihre Präsenz ist von grosser Segenskraft.

Alle diese in einem bestimmten Raum und für eine gewisse Zeit sich manifestierenden Bilder, Gegenstände und Lebewesen lassen sich als Gefässe auffassen, welche Heiliges enthalten und weitergeben können.

Pressebilder

 

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