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Maya-Textilien aus Guatemala – «Kleider für die Seele»

Das Völkerkundemuseum der Universität Zürich besitzt eine Sammlung von über 320 Kleidungsstücken der Hochland-Maya in Guatemala. Die ältesten Textilien brachte der erste Direktor der «Sammlung für Völkerkunde», Professor Dr. Otto Stoll, nach seinem Aufenthalt in Guatemala in den Jahren 1878 bis 1883 nach Zürich. Obwohl im Verlauf der Zeit Einzelstücke oder kleinere Sammlungen dazukamen, vergrösserte sich der Bestand erst Mitte der 1990er Jahre wesentlich, als das Museum von den beiden Zürcher Textilfachlehrerinnen Verena Gloor und Evelyn Churcher ihre 1975 systematisch gesammelten Textilien erwerben konnte.

Die von der Gast-Kuratorin Gitta Hassler um 2003 begonnene Analyse der damals rund 250 Objekte ergab eine interessante Vergleichsmöglichkeit der Textilien aus dem Ende des 19. Jahrhunderts mit denjenigen aus dem letzten Viertel des 20. Jahrhunderts. Es stellte sich bald heraus, dass sowohl regionale wie auch systematische Lücken bestehen, weil allzu oft die Sammler und Sammlerinnen nicht die vollständige Kleidung eines oder einer Indígena, sondern nur die «schönsten» Stücke nach Haus gebracht haben.

Ein Forschungsaufenthalt der beiden Projektverantwortlichen, Gitta Hassler und Peter R. Gerber, im Januar 2005 in Guatemala führte zu einer engen und verdankenswerten Zusammenarbeit mit den Spezialistinnen des «Museo Ixchel del Traje Indígena» in Guatemala City, mit Rosario Miralbés de Polanco und Barbara Knoke de Arathoon, Direktorin des Museums, sowie mit der Museumsfotografin, Anne Girard. Dabei wurde die bestehende Sammlung überprüft, und zudem wurden rund 40 weitere Stücke vor Ort erworben.

Die Ausstellung möchte Besucherinnen und Besucher mit der traditionellen Kleidung der Hochland-Mayas bekannt machen, aber auch mit dem Wandel, der sich im Verlauf des 20. Jahrhunderts in den Textilien widerspiegelt. Deshalb werden die Kleidungsstücke grundsätzlich nach Departamentos und Dörfern sowie nach dem Alter präsentiert. Neben einem historischen Rückblick auf die Kleidung der Mayas in vorspanischer, kolonialer und rezenter Zeit werden die Bestandteile der typischen Frauen- und Kinderkleidung erläutert. Einzelne Objektgruppen – Haarbänder, Gürteltücher und Gürtelbänder, Männer-Taschen und Schmuck – sind in speziellen Vitrinen nach Ortschaften und Alter ausgestellt. Im hinteren Ausstellungsraum gibt es zudem Informationen über die textilen Techniken.

Die Lebenswirklichkeit der Indígenas in Guatemala wird nicht ausgeklammert, sondern bildet den Hintergrund zu den farbenfrohen Ausstellungsstücken: Eine Zusammenfassung der Ereignisse der letzten 60 Jahre – der lange Bürgerkrieg, das fürchterliche Erdbeben von 1976 und der verheerende Hurrikan Stan vom Oktober 2005 – soll die nach wie vor schwierige Situation in diesem sonst so schönen Land in Erinnerung rufen. In Ergänzung dazu haben wir das Hilfswerk der Evangelischen Kirchen Schweiz HEKS eingeladen, über eines ihrer Projekte in Guatemala zu informieren, nämlich über die Suche nach verschleppten und verschollenen Kindern.

 

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Maya-Textilien aus Guatemala – «Kleider für die Seele»

Das Völkerkundemuseum der Universität Zürich besitzt eine Sammlung von über 320 Kleidungsstücken der Hochland-Maya in Guatemala. Die ältesten Textilien brachte der erste Direktor der «Sammlung für Völkerkunde», Professor Dr. Otto Stoll, nach seinem Aufenthalt in Guatemala in den Jahren 1878 bis 1883 nach Zürich. Obwohl im Verlauf der Zeit immer wieder Einzelstücke oder kleinere Sammlungen dazukamen, vergrösserte sich der Bestand erst Mitte der 1990er Jahre wesentlich, als das Museum von den beiden Zürcher Textilfachlehrerinnen Verena Gloor und Evelyn Churcher ihre 1975 systematisch gesammelten Textilien erwerben konnte. Damit war klar, dass wir eines Tages die Maya-Textilsammlungen des Museums einem breiten Publikum präsentieren würden.

Die Analyse der damaligen gesamten Maya-Sammlung ergab verschiedene Resultate: Aufgrund des Einblicks in das textile Schaffen der Mayas über einen längeren Zeitraum hinweg wurde uns die Bedeutung der Sammlung Otto Stoll bewusst: Sie gehört zu den ältesten Beständen von Maya-Textilien in Museen überhaupt! Ähnlich alte Sammlungen befinden sich im Victoria und Albert Museum London, zwei weitere in Amerika in Berkeley und in New York. Es stellte sich allerdings heraus, dass sowohl regionale wie auch systematische Lücken bestehen, weil allzu oft die Sammler und Sammlerinnen nicht vollständige Kleidungen sammelten, sondern nur die «schönsten» Stücke nach Hause gebracht haben, d.h. vorwiegend huipiles (Frauenblusen). Da sich zudem die Männer nur noch in wenigen Orten traditionell kleiden, sind auch in unserem Museum Männerkleider kaum vorhanden.

Eine Forschungsreise der beiden Projektverantwortlichen, der Gast-Kuratorin Gitta Hassler und des Kurators der Amerikasammlungen Peter R. Gerber, im Januar 2005 in Guatemala führte zu einer engen Zusammenarbeit mit den Spezialistinnen des «Museo Ixchel del Traje Indígena» in Guatemala City. Es wurde mit seiner Direktorin Barbara Knoke de Arathoon, der ehemaligen Museums-Kuratorin Rosario Miralbés de Polanco und der Fotografin Anne Girard de Marroquín zu einer unschätzbaren Informationsquelle. Weitere Sammler und Sammlerinnen in Guatemala und Europa haben uns unterstützt und beraten, und so konnten wir auch einige Lücken in der Sammlung füllen.

Manche Fragen betreffend der genauen Herkunft, Bedeutung der Muster und vor allem der Datierung sind allerdings noch nicht gelöst und können wohl zum Teil nicht mehr gelöst werden. Es gibt nur noch wenige Zeitzeugen resp. Informantinnen und Informanten, die über die alten Objekte Aussagen machen können. Die Interpretation von Mustern ist ein schwieriges Unterfangen und ergibt beinahe so viele Antworten wie Fragen. Bei der Datierung von Museumsobjekten kann man manchmal nur als einzig sicheren Wert auf das Datum der Erwerbung verweisen, mit mehr Glück ist auch das Sammlungsdatum bekannt.

Wir dokumentieren eine Auswahl der museumseigenen Objekte und wenige Leihgaben. Die einzelnen Elemente oder Bestandteile einer Frauen- sowie einer Kinderkleidung werden am Anfang der Ausstellung vorgestellt. Den zusammenhängenden Rahmen bildet die Präsentation der Objekte nach Departamento («Kanton»). Innerhalb eines Departamentos sind die Textilien nach Ortschaften – und sofern bekannt – nach ihrem Alter gruppiert. So können wir einen Einblick in die landesweiten Variationen und zum Teil auch einen Eindruck über den Wandel der textilen Webkunst der Mayas geben, die ursprünglich von der Annahme «Ein Ort – eine erkennbare Kleidung» bestimmt wurde. Dies wird noch verdeutlicht in kurzen Zusammenstellungen über die historische Entwicklung der Textilien in vorspanischer, kolonialer und nachspanischer Zeit.

Im Zentrum der Ausstellung werden die 19 Objekte, davon 15 Textilien, aus der Sammlung Otto Stoll integral präsentiert. Der Mediziner Stoll (1849–1922) konnte sich in Guatemala neben seinen ärztlichen Tätigkeiten noch Forschungen zu Flora und Fauna und zur Linguistik der Maya-Gruppen widmen. Da er nur wenige Erläuterungen zu den Objekten geschrieben hat und Vergleichsobjekte aus dieser Zeit selten sind, ist ihre Zuordnung schwierig. Die Textilien bestechen durch Alter, Zartheit und Farbgebung und bieten interessante Vergleichsmöglichkeiten zu den neueren und neusten Objekten.

Weiterhin sind einzelne Objektgruppen wie Haarbänder, Gürteltücher und Gürtelbänder, Männer-Taschen und Schmuck in speziellen Vitrinen nach Ortschaften und Alter ausgestellt. Im hinteren Ausstellungsraum gibt es zudem noch Informationen über die Materialien und textilen Techniken.

Die Lebenswirklichkeit der Indígenas in Guatemala wird nicht ausgeklammert, sondern bildet den Hintergrund zu den farbenfrohen Ausstellungsstücken: Eine Zusammenfassung der Ereignisse der letzten 60 Jahre – der lange Bürgerkrieg, das fürchterliche Erdbeben von 1976 und der verheerende Hurrikan Stan vom Oktober 2005 – soll die nach wie vor schwierige Situation in diesem sonst so schönen Land in Erinnerung rufen. In Ergänzung dazu haben wir das Hilfswerk der Evangelischen Kirchen Schweiz HEKS eingeladen, über eines ihrer Projekte in Guatemala zu informieren, nämlich über die Suche nach verschleppten und verschollenen Kindern.

Zu der Ausstellung erscheint eine reich bebilderte Begleitpublikation, die ähnlich aufgebaut ist wie die Ausstellung, aber noch zusätzliche Artikel verschiedener Fachleute enthält. Das letzte, uns bekannte Buch zum Thema Textilien in Guatemala in deutscher Sprache stammt von 1992. In den letzten zwei, drei Jahrzehnten hat sich einiges in der Kleidung der Indígenas verändert: traditionell gewebte Textilien stehen den kommerziell hergestellten gegenüber, und die verschiedensten Stile vermischen sich miteinander.

So können wir uns noch immer der Ansicht von Lena Bjerregaard, der Autorin und Textilrestauratorin vom Völkerkundemuseum Berlin, anschliessen, die schon vor dreissig Jahren meinte: «Die Veränderungen beweisen, dass die Webtradition noch immer lebendig ist und nicht nur künstlich von Touristen, Geschäftsleuten und Anthropologen am Leben gehalten wird.»